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Projekt "Stolpersteine" in Braunschweig
Etwa 1200 Juden lebten vor der Zeit des Nationalsozialismus in unserer Stadt, 1938 waren es 638, im Mai 1945 nur noch einige wenige. Kaum einer erinnert sich heute an die Namen und Lebensgeschichten.

Das Projekt "Stolpersteine" holt die Opfer aus der Anonymität in die Mitte der Städte zurück: Der Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten Wohnhaus Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Am 8. Mai 2008 waren über 17.000 solcher Steine in 402 Orten verlegt. Am 9. März 2005 wurden die ersten 11 Steine in Braunschweig verlegt. Inzwischen sind es über 90. Die ergänzende Biografiearbeit wird von Schülern übernommen. Die erstellten Dokumente werden im Archiv Schillstraße verwahrt und können eingesehen werden. Das Friedenszentrum ist einer der fünf Träger des Fördervereins.

Weitere Informationen auf der Internetseite Stolpersteine und Artikel in der Braunschweiger Zeitung
    

Ein Stolperstein für Erna Wazinski (1925-1944)
19 Jahre alt war die Rüstungsarbeiterin Erna Wazinski, als sie im Zuchthaus Wolfenbüttel mit dem Fallbeil hingerichtet wurde. Nach dem Bombenangriff am auf Braunschweig am 14./15. Oktober 1944 hatte sie in den Trümmern ihrer Wohnung nach Habseligkeiten gesucht und dabei einiges mitgenommen, was sie für den Besitz ihrer Mutter hielt. Eine Nachbarin denunzierte dies als Plünderung, und die junge Frau kam als „Volksschädling“ vor eines der berüchtigten Sondergerichte. Ihr Geständnis war offensichtlich durch Misshandlungen erzwungen. Es gab zahlreiche Fälle dieser Art, aber Erna Wazinski war die einzige, die für dieses Delikt zum Tode verurteilt wurde. Alle Gnadengesuche wurden abgelehnt.  

Nach dem Krieg bemühte sich die Mutter um eine Wiedergutmachung, die aber vom Land Niedersachsen nicht genehmigt wurde, weil die Gerichte sich weigerten, die junge Frau zu rehabilitieren. Mehrer Anläufe scheiterten, bis 1991 ein neuer Zeuge auftrat, der für Erna Wazinski aussagte; sie wurde nachträglich freigesprochen. Tatkräftig für ihre Rehabilitierung hatte sich der damalige Richter am Landgericht Braunschweig, Dr. Helmut Kramer,  für sie eingesetzt. (Erst 1998 wurden NS-Urteile gegen „Volksschädlinge“ generell aufgehoben.)
In krassem Gegensatz zur Nachkriegsgeschichte des Falls Erna Wazinski steht der des vorsitzenden Richters am Sondergericht, der nicht nur für das Urteil gegen sie verantwortlich war,  sondern auch noch an weiteren 58 Todesurteilen mitgewirkt hatte.  Nach seiner Entnazifizierung 1950 trat er in den Dienst der Evangelischen Landeskirche Braunschweig, wo er zum Präsidenten der Generalsynode aufstieg.

Zwar ist der Fall Erna Wazinski in der lokalen Öffentlichkeit bekannt geworden (nicht zuletzt durch das Schauspiel „Die Braunschweigische Johanna“), aber kein Gedenkstein erinnert an sie. Daher setzt sich das Friedenszentrum zusammen mit dem Verein „Stolpersteine e.V.“ für die Verlegung eines Stolpersteins in der Langedammstraße, wo sie zuletzt gewohnt hat, ein.

(Hinweis: Ein wahrhaft „exzellenter“ Artikel über Erna Wazinski ist bei Wikipedia nachzulesen.)
Inge Gerlach



Ein "Stolperstein" für Hermann Bode (1911 - 1944)
Für den einstigen Stadtverordneten der Stadt Braunschweig und Widerstandskämpfer Hermann Bode wurde am vor dem Haus Kaffeetwete 1 ein „Stolperstein“ verlegt. In einer Feierstunde am 15. Juni 2009, fand eine Ehrung des Toten, geleitet von Jutta Salzmann, statt, in deren Mittelpunkt neben einer Gedichtrezitation (Brigitte Constein-Gülde) ein Vortrag von Dr. Helmut Kramer, Richter am OLG i.R., stand. Der Verein „Stolpersteine“, der in Zusammenarbeit mit dem Künstler Gunter Demnig eine Metallplatte mit Lebensdaten zur Erinnerung an einstige Mitbürger verlegt, die durch den Terror des NS-Regimes zu Tode gekommen sind, ehrte damit einen Mann, der, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, den Mut gehabt hatte, sich dem NS-Regime zu widersetzen, was ihm Gefängnis und KZ und schließlich (wegen Kontakts mit griechischen Partisanen) das Todesurteil durch ein deutsches Militärtribunal eintrug. Der Verein steht unter der Schirmherrschaft von OB Dr. Hoffmann, dessen Grüße Frau Bürgermeisterin Harlfinger überbrachte.

Damit wird ein Mann geehrt, der in seiner Heimatstadt bisher so gut wie unbekannt war. Während der militärische Widerstand sich höchster öffentlicher Anerkennung  erfreut, bleibt der der „kleinen Leute“ im Schatten. Herrmann Bode ist darüber hinaus mit einem doppelten Tabu behaftet: Er war Kommunist und zudem „Kriegsverräter“. Zum ersten Sachverhalt stellte Dr. Kramer, fest, dass er Bode, wenn er überlebt hätte, in den Nachkriegsjahren wiederum in erhebliche politische Schwierigkeiten gebracht hätte. “Kriegsverräter“ sind die einzige Gruppierung des militärischen Widerstands, denen die bundesrepublikanische Justiz bisher die Rehabilitierung verweigert hat. Der Bundestag hat im August entscheiden, dass diesen tapferen Männern ihre Ehre wiedergegeben wird.

Um zu verhindern, dass Hermann Bode erneut in Vergessenheit gerät, setzt sich das Friedenszentrum e.V. Braunschweig dafür ein, dass eine Braunschweiger Schule seinen Namen tragen soll.

Hermann Bode, ehemaliger Stadtverordneter in Braunschweig (1911-1944)
Hermann Bode wurde 1911 in Braunschweig in sehr ärmlichen Verhältnissen geboren (Kaffeetwete 1). Sein Vater fiel im 1. Weltkrieg, daher musste seine Mutter fünf Kinder von einer schmalen Witwenrente ernähren. Besuch der Volksschule, dann (abgebrochene) Mechanikerlehre.
Er war Mitglied im Kommunistischen Jugendverband, und profitiert dort von der Bildungsarbeit durch Heinrich Rodenstein (späterer Mitbegründer der GEW). Schwierigkeiten mit der KPD wegen deren „Sozialfaschistischen Thesen“, zeitweiliger Ausschluss.
1931 auf der KPD-Liste in die Stadtverordnetenversammlung gewählt (mit 20 Jahren jüngster Stadtverordneter in Deutschland). Enge Zusammenarbeit mit der SPD gegen die NSDAP.
1933 politischer Widerstand gegen die NS-Herrschaft, Verhaftung, Gefängnisstrafe wegen Hochverrats. Auch die spätere Ehefrau Dora Meinecke wird verhaftet und kommt ins Gefängnis.
Nach der Entlassung erneut in „Schutzhaft“ (KZ Dachau) 1939 Freilassung, Tätigkeit als Dreher in Braunschweig. Heirat mit Dora M., 2 Kinder.
Anfang 1943 Einberufung zum Kriegsdienst (bisher „wehrunwürdig“) im Strafbataillon 999, Einsatz in Griechenland zur Bekämpfung von Partisanen.
Nimmt Kontakt mit diesen auf, wird aber von einem Kameraden verraten. Vom Kriegsgericht wegen „Kriegsverrats“ zum Tode verurteilt. Am 9. Juni 1944 in Amalias (Griechenland) erschossen.
Die griechische Bevölkerung legt täglich neue Blumen auf sein Grab.

http://www.stolpersteine-fuer-braunschweig.de/orte/