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Screenshot Youtube

Am 9.12.2017 gab es in der Wochenendbeilage der Braunschweiger Zeitung in der Rubrik "Digitales Leben" einen Beitrag von Tobias Feuerhahn: "Mit einem Klick ins Krisengebiet". Der Beitrag berichtet darüber wie die Bundeswehr mit der Youtube-Doku "Mali" versucht Rekruten zu werben und durch seine Machart á la Outdoor-Erlebnis-Action-Doku (und das alles mit modernen Beats unterlegt) Kritiker auf den Plan ruft.

BZ-Autor Tobias Feuerhahn bat vor der Veröffentlichung das Friedenszentrum schriftlich mit ein paar Fragen um eine Einschätzung zu "Mali".

Fragen (BZ) und Antworten vom Friedenszentrum (Ulrike Schmitz, Frieder Schöbel, Ingeborg Gerlach, Elke Almut Dieter, Gudula Wegmann) finden Sie nachfolgend:


(BZ) Wie bewerten Sie die Aufmachung der Serie im Kontext der Kriegssituation, in der sie
spielt?
 
(FZ): Die BW soll im Rahmen einer UN-Mission auf dem Gebiet der Aufklärung eingesetzt sein - mit jeder dazu tauglichen High-Tech-Ausrüstung, auch Drohnen. Soldaten und Soldatinnen kommentieren ihre Gefährdungen und die Gefahren für Technik oft als willkommene Herausforderung. In einem Film sind auch soldatischer Tod und traumatisierende Erfahrungen das Thema. Der Kriegs-Alltag kommt sonst allerdings eher harmlos daher. Es "menschelt" bei heftigem Regen, bei  ziviler" Abwechslung mit Tischtennis nach Häuserkampf-Übungen, mit Kiosk-Waren-Verkauf für den "Feierabend" nach schweren Übungen und etwas Folklore und glänzende oder auch traurige Kinderaugen bei Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung. Und schöne Bilder! Szenenwechsel mit Sandwolken!  Was nicht vorkommt: Dass Krieg immer auch Töten heißt. Es gibt keine schrecklichen Kriegs-Bilder, keine Bilder der Opfer.  Abenteuer im Verbund mit Normalität und Humanität wird geschickt suggeriert.

(BZ) Läuft die Bundeswehr dadurch Gefahr, Waffennarren und andere "Rambos"
anzulocken?

(FZ): Das kann schon sein. Die bestmögliche technische Ausrüstung  können Technikfreaks und die Bilder von Wüste und Sonne  Abenteurer ansprechen. Das Maschinengewehr immer dabei - ausgerechnet im "Frauen"-Anwerbefilm - zieht sicher entsprechend disponierte Typen an, die Macht- oder auch Rachegelüste ausleben wollen.
Die Bundeswehr will hier junge Menschen ansprechen, die eine Ausbildung, eventuell sogar eine Karriere anstreben. Darum müsste sie die Risiken und Folgen ihres Tuns klar darstellen. Aus Afghanistan kamen Soldaten zurück, die psychisch so geschädigt sind, dass sie in ihrer Familie nicht ohne Hilfe leben können.
Nüchtern und friedlich denkende Menschen werden sich eher zivilen Projekten zuwenden.
Dazu noch eine Bemerkung von Dr. Ingeborg Gerlach:
Die BW rekrutiert sich zum guten Teil aus "gescheiterten Existenzen", d.h. jungen Menschen ohne oder mit schlechtem Schulabschluss, die keinen Ausbildungsplatz finden. Bei AuL habe ich solche "Versager" (nicht unbedingt Rambos) kennengelernt; hätte man ihnen eine Alternative angeboten, dann hätte sie auf diesen oft verzweifelten Schritt verzichtet. Unsere Gesellschaft braucht einen "zweiten Arbeitsmarkt", der öffentlich gefördert wird und den Zugang zu gesellschaftlich nützlichen Berufen öffnet.
 
(BZ) Wird eine ernsthafte Krisensituation verharmlost dargestellt?

(FZ): Die Filme zeigen nur Ausschnitte des soldatischen Alltags in Mali. Es gibt keine historisch-politischen Bezüge, keine Hintergründe der Krise, keine Offenlegung wirtschaftlicher Interessen (z.B. Uran - Nachschub für  Atom-Kraftwerke und -Waffen), keinen Hinweis auf die geostrategische Situation und politische Machtkonstellationen. Benannt werden Terroranschläge durch islamistische Gruppen, ohne das Bündnis mit seinen Ausrüstern und Geldgebern, die "unsere Verbündeten" sind, und ohne die gescheiterten Einsätze im Irak und Afghanistan zu hinterfragen. Benannt wird die Bekämpfung von Schlepperbanden, ohne die Ursachen für Flüchtlingsströme durch Mali anzusprechen, die nicht durch militärische Gewalt abzustellen sind.

(BZ) Welche Gefahren sehen Sie dabei?
 
(FZ): Die Gefahr der Militarisierung der Gesellschaften in den Krisengebieten und hier in Europa.  Die Gefahr, dass die Militarisierung, der Einsatz von Militär als normal angesehen wird und dass „ man“ sich daran gewöhnt, dass Militär eingesetzt wird. Diplomatische Verhandlungen und zivile Konfliktlösungen geraten mehr und mehr außer Sicht. Krieg gebiert Krieg, und Krieg gegen Terror ruft in einer Gewaltspirale  immer mehr Terror hervor.   



Allgemeines Statement des Friedenszentrums: 


Wir setzen uns ein für


Unser Schwerpunkt:

Das Friedenszentrum ist ein parteipolitisch unabhängiger Verein zur Förderung der Friedensarbeit, der Völkerverständigung, der Überwindung sozialer Ungerechtigkeit...




(1) Dazu ein Buch-Tipp von unserem Vorstands-Mitglied Gabriele Canstein:
"RELIGION MACHT FRIEDEN: Das Friedenspotential von Religionen in politischen Gewaltkonflikten" von Weingardt, Markus A.
Zitat von Margot Käßmann dazu: " ... Die Öffentlichkeit muss endlich auch sehen, was an mühseliger Friedensarbeit geleistet wird, oft ohne finanzielle Mittel, allein mit der Kraft der Überzeugung und dem langen Atem, den Religion schenken kann.''