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Bericht zum Vortrag von Dr. phil. Reinhold Lüdgemeier–Davin am 20.9.2018 in der VHS in der Reihe "Wege zu einer Kultur des Friedens".


Dr. Lüdgemeier referierte über den Pazifistenkongress 1920 in Braunschweig, in dessen Mittelpunkt eine Rede des Schriftstellers Kurt Hiller stand. Der Kongress in Braunschweig bedeutete eine Sammelbewegung der verschiedenen  friedenspolitischen Richtungen. Nach Kurt Hiller, der einen konsequenten Linkspazifismus vertrat, hätte er zugleich der Beginn einer weiterreichenden gesellschaftlichen  Veränderung sein sollen.

Braunschweig schien der geeignete Ort dafür zu sein, weil dort eine USPD-Regierung unter Sepp Oerter das Sagen hatte. Sie setzte um, was in der Reichsverfassung stand (Artikel 148): nämlich ein staatsbürgerlicher Unterricht, der die Völkerverständigung in den Mittelpunkt stellte. Daran sollte, nach Hiller, die Friedensbewegung anknüpfen und die Abschaffung der Wehrpflicht verlangen.

Hillers Gegenspieler Quidde vertrat eine liberaldemokratische Richtung und stand der DDP nahe. Er lehnte Hillers radikale Forderungen ab, weil er wusste, dass sie vom liberalen Bürgertum abgelehnt würden. Mit dessen Unterstützung wollte er politischen Einfluss erlangen. Hiller konnte sich dagegen auf die Kriegsopfer stützen, die in Massen der Friedensbewegung zuströmten.

Es gelang zwar Hiller, mit einer flammenden Rede die Stimmung in der Friedensbewegung nachhaltig zu beeinflussen; den endgültigen Sieg trug jedoch Quidde davon, der als Vorsitzender des neu gegründeten Kartells der Friedensbewegungen gewählt wurde.

Im weiteren Verlauf des Vortrags skizzierte Lüdgemeier-Davin Hillers Lebensweg, der ihn 1933 in nationalsozialistische Haft und dann 1934 nach Prag führte. 1938 konnte er nach London fliehen. Er kehrte 1946 nach Deutschland zurück, wo er bis zu seinem Tode 1972 blieb, ohne wieder  größere Bedeutung zu erlangen.

Kurt Hiller war ein expressionistischer Schriftsteller, ein Literat, dessen teilweise rüder Stil Aufmerksamkeit und auch Widerwillen erregte. Seine Ideen sind von der Friedensbewegung zum Teil übernommen worden, spielten in den politische Parteien aber keine Rolle.

 

Gabriele Canstein, 24.9.2018