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-- Ergänzung zur Ausstellung : Video-Interview als Lesetext. --

 


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Die Revolution in Syrien hat 2011 angefangen. Damals war ich noch ein kleines Mädchen, gerade einmal neun oder zehn Jahre alt. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Politik. Aber wenn so etwas in deinem Land passiert, wirst du automatisch um zehn Jahre älter.

Es gab Menschen, die sich getraut haben, die Mauer der Angst zu durchbrechen. Zum ersten Mal nach mehr als 40 Jahren Assad-Regime gab es Menschen, die sich getraut haben, Nein zu sagen."

Judy al Chalabi und Batoul Almahmoud wuchsen in Syrien auf. Sie erlebten den Beginn der Proteste 2011 und wie das Regime mit brutaler Gewalt antwortete. Als der Krieg eskalierte, wagten sie die gefährliche Flucht nach Europa. In Deutschland machten sie ihren Schulabschluss, heute studieren sie. In ihrer Freizeit engagieren sie sich im „Molham Volunteering Team“, einer humanitären Organisation, die Geflüchteten in Syrien und den benachbarten Ländern hilft. In Deutschland geben die beiden Freundinnen außerdem friedenspädagogische Workshops an Schulen und wollen so andere junge Menschen für ehrenamtliches Engagement begeistern.


"Ich bin Judy. Ich komme aus Syrien, aus Homs, um genau zu sein."

"Mein Name ist Batoul und ich komme aus der Nähe von Damaskus. Wir haben uns in der gleichen Organisation kennengelernt, nämlich im Molham-Team. Wir haben beide in der Übersetzungsabteilung gearbeitet. Dort haben wir uns 2019 kennengelernt. Wir haben online über Whatsapp miteinander gesprochen. Da haben wir gemerkt, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben. Und weil Judy nur drei Jahre älter ist,
haben wir gemerkt, dass wir im gleichen Alter sind und uns vielleicht treffen könnten. Außerdem sind wir beide in Deutschland.
Also mussten wir uns unbedingt kennen lernen. Nach zwei oder drei Wochen haben wir uns dann in Wuppertal getroffen."

"Jetzt sind wir beste Freunde. "

 

Ihr seid beide in Syrien aufgewachsen. Wurde in deiner Familie viel über Politik gesprochen, Judy?

"Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die politisch sehr interessiert war, auch wenn man in Syrien nicht politisch aktiv sein konnte. Wir haben immer die Nachrichten geschaut. Ständig lief auf dem Fernseher entweder „Al Jazeera“ oder „Al Arabia“. Auf der ersten Taste der Fernbedienung war „Al Jazeera“ gespeichert und auf der zweiten „Al Arabia“. Ich kann mich noch an die Kriege im Libanon und im Irak erinnern. Viele Menschen sind in dieser Zeit nach Syrien geflohen. Ich erinnere mich so genau, weil wir ja mittendrin waren. Mein Interesse für diese Themen ist gewachsen. Das Problem war, dass wir keine Möglichkeit hatten, selbst aktiv zu werden – weder politisch noch humanitär. So ging es bis 2011. Da war ich 13 Jahre alt. Es war der Beginn des „Arabischen Frühlings“. Wir wussten natürlich nicht, was das heißen sollte. Wir wussten von gar nichts! Das war wirklich komisch: In Tunesien haben die Menschen gegen den Präsidenten demonstriert – und er ist zurückgetreten! In Ägypten das Gleiche! Uns kam das vor wie aus einer anderen Welt.

Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag: Die ganze Familie war zum Mittagessen bei uns und wir schauten „Al Jazeera“. Dort wurde berichtet, dass der ägyptische Präsident Mubarak zurücktreten könnte. Es hieß, dass die Menschen auf den Straßen demonstrieren, weil sie den Präsidenten nicht mehr wollten. Jemand aus meiner Familie fragte, ob das Gleiche in Syrien passieren könnte. Alle sagten: „Sei still! Wie soll so etwas bei uns passieren?“ „Nein, das ist unmöglich.“ Ungefähr zwei Monate später waren wir bei meinem Opa in Damaskus. Wir haben ein Picknick gemacht. Es war so, dass wir in Damaskus nichts von den Ereignissen mitbekommen haben. Mein Onkel, der in Amerika lebt, hat uns angerufen. Er sagte: „Seid vorsichtig. Es gibt Demonstrationen in Daraa!“ Wir riefen: „Was? Demonstrationen in Daraa? Was ist da los?“ Aber es stimmte. Auf dem Heimweg erfuhren wir, dass es Demonstrationen in Syrien gab. Das war ein unglaublicher Schock für uns. Es gab Menschen, die sich getraut haben, die Mauer der Angst zu durchbrechen. Zum ersten Mal nach mehr als 40 Jahren Assad-Regime gab es Menschen, die sich getraut haben, Nein zu sagen."



Batoul, wie hast du den Beginn der Proteste in Syrien erlebt?


"Die Revolution in Syrien hat 2011 angefangen. Damals war ich noch ein kleines Mädchen, gerade einmal neun oder zehn Jahre alt. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Politik. Aber wenn so etwas in deinem Land passiert, wirst du automatisch um zehn Jahre älter. Obwohl ich erst neun war, habe ich natürlich mitbekommen, was um mich herum passierte. Kein Mensch kann Bomben und Luftangriffe in seiner Nähe hören und ignorieren, was vor sich geht. Wir wohnten in einem Vorort von Damaskus. Dort war es etwas ruhiger als in anderen Orten in der Umgebung. Aber ganz in unserer Nähe gab es zwei Städte: Moudamieh und Daraya. Es ist allgemein bekannt, dass Daraya einer der Orte war, die sehr lange belagert wurden. Über Monate und sogar Jahre hatten die Menschen keine Versorgung. Ständig gab es Luftangriffe. Das war so laut! Wir haben alles gehört.

Bei uns war es relativ ruhig, weil viele Einwohner in unserem Ort das Assad-Regime unterstützt haben. Sie waren gegen jegliche Aktionen gegen das Regime. In den Städten in unserer Nähe gab es Demonstrationen. Normalerweise kann man zu Fuß dorthin laufen, aber in dieser Zeit ging das nicht. Und bei uns gab es zur selben Zeit Demonstrationen für das Regime. Das fühlte sich völlig schizophren an: zu wissen, dass die Gesellschaft um dich herum für Assad ist und dich von einer Sache überzeugen möchte, die nicht richtig ist."

 

Judy, du bist 2011 selbst auf die Straße gegangen. Wie kam es dazu?

"Was wir auf den Straßen gesehen haben, war nicht zu ertragen: Einmal zum Beispiel haben einige Menschen einfach nur „Freiheit“ gerufen – und wurden verhaftet. Danach kamen andere Menschen, die für das Regime waren. Sie haben gefeiert. Meine Schwester und ich gingen runter auf die Straße. Es gab Musik und es wurde gefeiert. Wir haben das nicht verstanden. Wer demonstriert gegen wen? Warum feiern die einen und die anderen nicht? Abends gingen wir nach Hause und erzählten unseren Eltern davon. Wir erzählten, dass es morgens Proteste gab und abends eine Feier dagegen.

Ich kann mich genau erinnern, wie Papa sagte: „Ihr müsst im Leben eine Meinung haben.“ „Ihr könnt nicht gleichzeitig für beide Seiten sein.“ „Ihr müsst euch entscheiden, wo ihr steht.“ Er hat uns erklärt, was die beiden Seiten möchten. Er sagte, dass die Leute demonstriert haben, weil sie in Würde und Frieden leben wollen. Das ist auch uns wichtig: Wir wollen, dass Menschen aller Glaubensrichtungen friedlich zusammenleben. Aber dafür müssen die Ressourcen im Land gerecht verteilt werden. Es muss Meinungsfreiheit und Grundrechte für alle geben. Und da sagte Papa: „Entscheidet euch!“

Für uns war völlig klar, auf welcher Seite wir stehen wollten. Wir haben gefragt, ob wir mit demonstrieren dürften. Papa erlaubte es. Das war ungewöhnlich, weil die Lage wirklich sehr gefährlich war. Wie gesagt, nur ein paar Tage zuvor hatten wir Angst, auch nur darüber zu sprechen, selbst in der Familie. Und außerdem waren wir sehr jung. Ich war 13 Jahre alt, meine Schwester 15. Dazu kommt, dass wir Mädchen sind. Für Mädchen war es noch gefährlicher. Aber wir haben angefangen, immer wieder zu den Demos zu gehen.

Am Anfang war es total friedlich. Wir haben gerufen: „Gerechtigkeit, Freiheit“ und so weiter. Wir hatten nur Handykameras, Blumen und Plakate dabei und haben unsere Stimmen benutzt. Doch das Regime reagierte auf die friedlichen Proteste mit brutaler Gewalt. Da stellten die Menschen mehr Forderungen. Sie forderten jetzt den Sturz des Regimes und dass der Ausnahmezustand ausgerufen wird. So ging es weiter, bis zu diesem einem Tag, den ich nie vergessen werde.

Jedes Jahr am 18. April kommen diese Gefühle wieder hoch. Es war 2011 in Homs. Einen Tag zuvor hatte es eine Demo gegeben, bei der viele Menschen von den Sicherheitskräften erschossen worden waren. Am nächsten Tag fand die Beerdigung statt und es gab einen Trauermarsch im Zentrum von Homs. Spontan kamen viele Menschen aus allen Richtungen. Sie versammelten sich für einen Streik. Wir wollten streiken, bis unsere Forderungen erfüllt würden. Dieser Tag war unglaublich, einfach unglaublich. Wir haben die Rufe ungefähr um 14:00 Uhr gehört. Es waren laute Rufe: „Das Volk will das Regime stürzen! Wir wollen Freiheit! Wir wollen Gerechtigkeit!“ Wir gingen runter auf die Straße.

Es war ein überwältigender Anblick! Kinder, Erwachsene, Jugendliche, Mädchen, ältere Menschen... Alle Altersstufen, alle Glaubensrichtungen waren vertreten! Christen, Muslime... Alle waren da! Ich habe sogar Freundinnen gesehen, die ich seit sechs Jahren nicht gesehen hatte. Es war so friedlich und schön. Man konnte beobachten: Obwohl die Menschen überhaupt nicht auf die politische Arbeit vorbereitet waren, auf Demonstration und auf Aktivismus, fingen sie an sich zu organisieren. Auf dem Platz sorgten die Frauen für die Sicherheit anderer Frauen. Auch die Männer passten auf, dass der Streik friedlich blieb. Die Restaurants rund um den Platz verteilten Essen. Es lag eine revolutionäre Stimmung in der Luft! Alle waren voller Tatendrang! Obwohl die Menschen keine Erfahrung damit hatten, haben sie sich organisiert. Es war, als hätten sie das schon seit zehn Jahren geplant. Es war ein wunderschöner Traum: Dass wir dortbleiben würden, bis unsere Forderungen erfüllt würden.

Um Mitternacht kam dieser Traum zu einem jähen Ende. Die Sicherheitskräfte kamen. Sie eröffneten das Feuer auf die Menschenmenge! Bis heute weiß man nicht, wie viele Menschen ermordet wurden, wie viele Kinder verschwunden sind.

Und seit 2011 ist schon so viel Zeit vergangen. Meine Familie und ich blieben bis 2013 in Syrien. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Demonstrationen mehr. Das lag daran, dass die Gewalt immer schlimmer geworden war. Begonnen hatte es mit Festnahmen und Schüssen auf Menschen. Später gab es Luftangriffe und Belagerungen. Ich selbst konnte 2012 und 2013 nicht mehr zur Schule gehen. Zum einen, weil es zu gefährlich war. Zum anderen lebten in den Schulen nun Menschen, die ihre Häuser verloren hatten oder aus den belagerten Städten geflohen waren. Und so wurden wir von Schülerinnen zu Helferinnen. Wir haben natürlich zuhause für die Prüfungen gelernt. Aber wir haben auch in kleinen Gruppen zusammengetan und ehrenamtlich den Menschen in den Schulen geholfen, damit sie mit dem Nötigsten versorgt waren."

 

Batoul, wie ging es für dich weiter?

"Ich glaube, es war ungefähr 2012 oder 2013, als alles eskalierte. Die Städte um uns herum wurden belagert. Die Straßen waren versperrt, zum Beispiel in Richtung Damaskus. Auch in Deraa wurde es sehr gefährlich. Obwohl es in der eigenen Stadt ständig Luftangriffe gab, obwohl es so gefährlich geworden war, hatten wir keine Chance, die Stadt zu verlassen. Nach rechts, nach links, nirgendwo war ein Durchkommen! In allen Richtungen gab es Luftangriffe. Es gab Zeiten, in denen wir dachten: Wenn wir fliehen, wohin sollten wir überhaupt gehen? Es war schwierig, einen Ort zu finden, wo kein Krieg herrschte oder wo es etwas ruhiger war. Das ging so bis ungefähr 2014, 2015.

Es wurde immer heftiger. Die Gewalt eskalierte immer weiter. Die Lage war unberechenbar und veränderte sich ständig. 2014 wurde der Mann meiner Schwester getötet. Als das passierte, entschied sie sich sofort das Land zu verlassen. Ganz genau weiß ich es nicht, aber ich glaube, sie hat den Ort gehasst, wo sie einen geliebten Menschen verloren hat. Sie hat sich nicht mehr sicher gefühlt. Sie hatte ja auch vierjähriges Kind und ein Neugeborenes. Für sie war Syrien kein sicherer Ort mehr, um Kinder großzuziehen. Also hat sie sich entschieden, das Land zu verlassen. Ich war damals zwölf oder dreizehn Jahre alt. Meine Schwester und ich standen uns sehr nahe. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie fortging und wir uns nicht mehr sehen würden. Ich habe gedacht, die Reise könnte auch lustig werden. Ich habe nicht daran gedacht, dass es gefährlich sein könnte.

2015 war es dann so weit. Der Fluchtweg in die Türkei war noch offen. Danach ging es weiter nach Griechenland. Das war der übliche Fluchtweg nach Europa. Und da haben die Schwierigkeiten angefangen. Ich war 13 oder 14 Jahre alt. Meine Schwester war 29 und hatte zwei Kinder im Alter von vier Jahren und sechs Monaten. Wir hatten überhaupt keine Erfahrung damit, außerhalb von Syrien zu reisen. Die Türkei war ein Schock. Wir mussten uns um alles kümmern. Wir mussten eine Unterkunft finden, etwas zu Essen, einen Fluchtweg. Wir mussten darauf achten, dass das Geld nicht ausging. Würde es für den Weg reichen? Oder bräuchten wir mehr? Wir haben sehr darauf geachtet, was wir ausgeben. Wir mussten auch gut auf die Kinder aufpassen. Es gab Entführungen, sogar Organhandel. Das war sehr beängstigend, vor allem in einem fremden Land. Das einzige Wort, das mir einfällt um diese Zeit zu beschreiben, ist Angst.

Nach einer Woche in der Türkei ging unsere Flucht weiter. Wir gingen zu „dem Punkt“. So wurde der Ort genannt, wo die Boote in Richtung Griechenland abfuhren. Viele Boote sind damals untergegangen. Auch davor hatten wir Angst. Was, wenn wir sterben würden? Wir haben unseren Eltern nicht gesagt, dass wir über das Mittelmeer fahren würden. Sie hätten sich nur Sorgen gemacht. Wir dachten, so ist es einfacher. Wenn wir sterben, dann werden sie schon informiert. Aber wir wollten nicht, dass sie die ganze Zeit an uns denken. Die Bootsfahrt war dann aber tatsächlich der leichteste Teil des Weges.

Als wir Griechenland erreicht haben, waren wir überglücklich. Wir dachten: „Das Schlimmste haben wir überlebt.“ „Das Schlimmste liegt jetzt wirklich hinter uns.“ Aber das war leider nicht so. Bei unserer Ankunft in Griechenland waren wir sehr weit weg von Orten wie Athen, von wo aus wir hätten weiterreisen können. Wir waren in Gruppen unterwegs. Es waren ja zwei Boote, also mehr als 200 Menschen. Es gab Taxis, aber die wollten uns nicht mitnehmen. Sie hatten Angst vor der Polizei. Sie hatten Angst, dass sie des Menschenhandels beschuldigt werden könnten. Also wollten sie uns nicht mitnehmen.

Ich kann mich daran erinnern, wie wir 30 Kilometer gelaufen sind, fast ohne Essen. Es gab auch nichts zu kaufen. Wir waren ja in einer ländlichen Gegend. Wir wussten, dass wir vielleicht erst in 30 Kilometern Läden finden würden, eine Stadt oder einen Platz zum Ausruhen. Dieser Weg hat sich in meine Erinnerung eingebrannt. Alles davor und danach war einfacher. Ich war 13 oder 14 Jahre alt und musste mich um meinen Neffen kümmern. Er war ja nur sechs Monate alt. Meine Schwester musste ihr vierjähriges Kind tragen. Es konnte ja keine 500 Meter alleine laufen. Und sie konnte nicht zwei Kinder tragen. Es war so anstrengend. Und so reisten wir weiter durch Serbien, Kroatien und Ungarn. Die Reise war eine der schwierigsten Erfahrungen, die man erleben kann. Bis Österreich – ab dort ging es leichter. In Österreich gab es damals Camps für geflüchtete Menschen. Dort sind sie viel besser mit uns umgegangen."

 

Ihr engagiert euch beide im "Molham Volunteeering Team". Was hat euch dazu motiviert?

"Obwohl ich erst 14 Jahre alt war, konnte ich mein Land nicht vergessen. Wenn man dort solche Erfahrungen und negativen Erlebnisse gemacht hat, ist es unmöglich, es zu vergessen. Auch wenn man auf der sicheren Seite ist, in einem sicheren Land. Das hat mich immer begleitet. Ich habe auch immer gesagt, dass ich etwas tun will. Die Frage war nur: wie genau? Was soll ich tun? Was kann man in diesem Alter tun? Ich hatte eine Facebook-Seite und lernte die Organisation kennen, in der ich jetzt arbeite."

 

Woher kommt der Name Molham?

"Molham ist der Name eines syrischen Studenten. Während der Revolution war er zuerst in Syrien. Aber wegen der Festnahmen musste er nach Saudi-Arabien fliehen, wo seine Eltern lebten. Aber dieses Gefühl der Schuld, das viele Überlebende empfinden, hat ihn offenbar begleitet – genau wie uns. Er konnte nicht weggehen und zusehen, wie die Menschen leiden. Und so ist er vom bequemen Saudi-Arabien, wo er alles hatte, was er brauchte, nach Syrien zurückgekehrt. Er hat angefangen, humanitäre Hilfe zu organisieren. Und eines Tages, als er in einem belagerten Gebiet geholfen hat, wurde er ermordet.

Er hatte Freunde, die in Jordanien studiert haben. Einer von ihnen erzählte den anderen, dass Molham ermordet worden war. Er sagte, dass er in Molhams Namen etwas tun möchte – damit dieser Name unsterblich wird. Und so haben die Freunde von Molham angefangen Spenden zu sammeln. Erst waren es nur kleine Beträge, um Feste für Kinder organisieren und ihnen so eine Freude zu machen. Aber mit der Zeit wurde die Gruppe bekannter. Die Menschen wollten an das „Molham Team“ spenden.

Aus der kleinen Gruppe von zehn Personen sind bis heute 450 Menschen geworden. Etwa 100 von ihnen sind fest angestellt. Aber 350 sind Ehrenamtliche, so wie Batoul und ich. Viele dieser Ehrenamtlichen sind in Syrien und in den Nachbarländern, also im Libanon, in der Türkei und in Jordanien. Die anderen Ehrenamtlichen sind überall auf der Welt. Die moderne Technik macht es möglich, dass man humanitäre Hilfe und Friedensarbeit online organisieren kann. Man muss nicht vor Ort sein, um helfen zu können. Man kann dableiben, wo man ist, und trotzdem auf unterschiedlichste Arten und Weisen helfen.

„Molham“ besteht also heute aus 450 Menschen und ist in fünf Ländern weltweit registriert: in Deutschland, Kanada, Schweden, Amerika und in der Türkei. Die Organisation wurde 2012 gegründet. Sie hat bis heute mehr als einer Million Menschen geholfen. Viele haben als Studierende angefangen, sich zu engagieren. Das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden ist maximal 30 Jahre. Diese Menschen helfen, ihr Land wieder aufzubauen. Für mich zeigt das, wie aus einer kleinen Idee etwas Großes entstehen kann. Deshalb ist es so wichtig, dass wir an unsere Ideen glauben. Es mag eine flüchtige Idee sein, die man schnell wieder vergisst. Aber wenn man daran glaubt, kann daraus etwas Großes werden."

 

Was bedeutet euch die ehrenamtliche Arbeit?


"Wenn man einmal angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören. Man gewöhnt sich daran. Das ist einfach mein Liebensstil geworden. Ich kann mir mein Leben nicht mehr vorstellen, ohne im Bereich der menschlichen Dienstleistungen zu arbeiten."

Wir sind beide Studenten. Wir arbeiten auch nebenbei. Wir sind sehr damit beschäftigt, uns weiterzuentwickeln. Aber wir wollten unbedingt auch etwas Freiwilliges machen, um den Menschen dort zu helfen. Das heißt in Syrien und in Ländern, in denen Menschen Hilfe brauchen. Warum, ist eine gute Frage. Ich weiß gar nicht, ob ich darauf eine Antwort habe. Aber ich würde sagen, ich kann nicht anders. Wenn ich jemandem helfe, gibt mir das das Gefühl, dass ich dem Traum, den ich 2011 hatte, die Welt zu verändern, näher komme. Natürlich kann niemand die Welt verändern. Aber wir können das Leben von ein paar Menschen verändern, und das reicht mir. Das ist alles, was ich will."

 

Wir haben Sie gebeten, einen besonderen Gegenstand mitzubringen. Was möchtet ihr zeigen?


"Ich habe dieses Kerzenglas mitgebracht. Ich habe ihn seit 2017 und er bedeutet mir sehr viel. Sie hat mich in vielen schwierigen Situationen begleitet, zum Beispiel während meiner Abiturprüfungen. Und auch durch meine friedliche Arbeit. Ich habe es immer noch auf meinem Schreibtisch zu Hause. Denn ich habe immer online gearbeitet. Wenn ich mich im Raum umgesehen habe, habe ich immer dieses Kerzenglas gesehen. Das bedeutet mir einfach sehr viel."


"Ich habe meinen Schlüsselanhänger mitgebracht. Hier sehen Sie einen Cartoon-Charakter Sie heißt zufällig Judy Abbott. Sie hat also denselben Namen wie ich. Judy war meine Lieblingsserie im Fernsehen. Als ich ein Kind war, habe ich die Serie gerne gesehen. Judy hatte eine sehr schwierige Kindheit. Sie hat beide Eltern verloren, aber sie hat ihre Träume nie aufgegeben. Sie hat immer an ihre Träume geglaubt. Als sie erwachsen war, baute sie ein Waisenhaus und tat viele wunderbare Dinge. Ich hatte schon als Kind eine Verbindung zu Judy. Ich selbst habe viele schlimme Erfahrungen gemacht: Krieg, Flucht, Ankunft in einem neuen Land, ohne die Sprache zu kennen. Ich musste ganz von vorne anfangen. Aber ich habe meine Träume nie aufgegeben und immer an ihnen gearbeitet, damit ich, wenn ich erwachsen bin, sagen kann, dass ich etwas Gutes getan habe. Nach all den schwierigen Erfahrungen habe ich bereits einige meiner Träume verwirklicht. Ich bin Studentin, engagiere mich ehrenamtlich und kann das Leben von mehreren Menschen verändern. Deshalb bedeutet mir der Schlüsselanhänger sehr viel."

 

 



Quelle: Video-Transkript von https://youtu.be/6IwCtwmuq78?feature=shared

 


Dieser Text ist Teil der multimedialen Ausstellung "Gesichter des Friedens" von Pro Peace
Die Plakate sind zu sehen vom 2. - 30.6.2025 im 2. Obergeschoss der Stadtbibliothek Braunschweig (Lesesaal).

Dort wo die deutschen Untertitel in diesem Video fehlten, wurden mit deepL die englischen Untertitel ins deutsche übersetzt.