am Samstag, den 22. Juni fand am Sowjetischen Ehrenmal eine Gedenkveranstaltung zum Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion statt, an der Gedenkstätte für die Opfer von Zwangsarbeit auf dem Hauptfriedhof Braunschweig.

Werner Hensel

Am 22. Juni 1941* überfiel Deutschland die damalige Sowjetunion. Ein Datum an dem auch in diesem Jahr an die Greueltaten der deutschen Wehrmacht, an die 27 Millionen Kriegstoten in der Sowjetunion und millionenfachen Deportationen von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern erinnert wurde.
Werner Hensel erinnerte in seiner Gedenkrede an die Opfer dieses Krieges und nahm auch Bezug auf den Geschichtsrevisionismus, der gegenwärtig politisch und medial stattfindet. Eine weitere Ansprache folgte durch einen Vertreter der Jugendorganisation Roter Ring Braunschweig. Umrahmt wurde das Gedenken durch das Verlesen des Gedichtes "Höre, Israel!" des Lyrikers Erich Fried sowie zwei Friedensliedern.
Das Gedenken wurde vom VVN-BDA und der DKP Braunschweig organisiert.

*Auch bei der Friedenskundgebung am 22.06.24 auf dem Schlossplatz wurde Bezug an das Unternehmen "Barbarossa" der Nazi-Wehrmacht erinnert und vor der weiteren Umsetzung des Beschlusses gewarnt, den Ukrainekrieg auch mit deutschen Waffen nach Russland zu tragen.




Rede von Werner Hensel


„Ewiges Gedenken den Opfern des Faschismus“ - steht an dieser Gedenkstätte.

Wir sind an diesem Ehrenmal für sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene um zusammen gekommen um zu gedenken und zu widersprechen.

Wir widersprechen Sigmar Gabriel, der fordert, Russland niederzuringen wie die Sowjetunion im Kalten Krieg. Herr Gabriel, das haben schon andere versucht - Napoleon, die deutschen Faschisten. Einen dritten Versuch könnte die Menschheit mit ihrem Untergang bezahlen.
Gabriel und die anderen Rüstungslobbyisten und Kriegstreiber haben ein sehr kurzes Gedächtnis „für erduldete Leiden“ um mit Bertolt Brecht zu sprechen. Und sie haben einen politischen Horizont, der gerade bis zur eigenen Nasenspitze reicht.
Will sich Gabriel in einen Leopard setzen und nach Moskau fahren? Auch der tiefste Tunnel im Rammelsberg wird ihn nicht vor den Folgen eines Atomkrieges retten!
Aber natürlich setzen sich Gabriel und Konsorten nicht selbst in den Panzer. Sie und ihre Kinder schicken andere in den Krieg – meistens die Kinder der Arbeiterklasse.

Deshalb lasst uns das „tausendmal gesagte“ noch einmal in Erinnerung rufen:

Wir wählen den 22. Juni als Gedenktag, weil an diesem Tag der Vernichtungskrieg der faschistischen Wehrmacht gegen die Völker der Sowjetunion begann.
Heute vor 83 Jahren, war das „Unternehmen Barbarossa“ rund 12 Stunden alt.
Die ersten Tausende von am Ende 27 Millionen Sowjetbürger hatten seit dem Überfall der faschistischen Wehrmacht auf ihre Heimat in den frühen Morgenstunden ihr Leben gelassen.
Erst vier Jahre später war das Morden beendet.
Mit dem Völkermord an den Juden, den Sinti und Roma, mit dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, der Verfolgung aller politisch Widerständigen, mit der Euthanasie hat sich der deutsche Faschismus beispielloser Verbrechen schuldig gemacht.

Die Losung „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ war und  ist die richtige Schlussfolgerung.

Wir widersprechen, dass die Eröffnung der zweiten Front durch die Alliierten am 6. Juni 1944 der „Beginn der Befreiung Europas vom Faschismus“ war. Diese Militäroperation war zweifellos eine der größten des zweiten Weltkrieges und sie beschleunigte die Befreiung Europas.

„Die 136.000 amerikanischen und britischen Soldaten, die im Kugelhagel der Naziwehrmacht mit tausenden Landungsbooten bei Caen einen Brückenkopf erkämpften, wobei mehr als zehntausend von ihnen starben, haben zweifellos Heroisches geleistet.“ (Polikeit, UZ 13.06.2014)


Aber die Befreiung vom Faschismus begann früher – spätestens mit der Niederlage der 6. Armee in Stalingrad.
Die Kräfteverteilung der Wehrmacht macht deutlich wo die militärischen Entscheidungsschlachten stattfanden:
In Westeuropa standen 54 deutsche Divisionen, an der Ostfront 156.
Der schnelle Vormarsch der Alliierten im Westen hing auch mit der Großoffensive der Roten Armee im Sommer 1944 zusammen. Auf den Tag genau drei Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion begann die „Operation Bagration“.

„Die erfolgreiche sowjetische Offensive führte zum vollständigen Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte und dem Verlust von 28 Divisionen der Wehrmacht. Sie gilt als die schwerste und verlustreichste Niederlage der deutschen Militärgeschichte. Die während dieser Kämpfe erlittenen Verluste konnte die Wehrmacht nicht mehr ausgleichen. … Die deutsche Niederlage wurde nun endgültig unausweichlich; die Hoffnungen der Wehrmacht, die Rote Armee wenigstens zu einem Verhandlungsfrieden zu zwingen, zerstoben.“ (Wikipedia)


Es wäre unanständig, einen mehr oder weniger wertvollen Widerstand gegen den Faschismus zu definieren. Alle Opfer verdienen unseren Respekt.
Und Kriegsgrauen kann man nur schwer in Zahlen ausdrücken.
Aber manchmal sind sie nötig, um historische Tatsachen richtig darzustellen:
Die Hauptlast des Krieges trug die Sowjetunion und das faschistische Deutschland hätte am liebsten einen Separatfrieden im Westen geschlossen, um weiterhin gegen den Bolschewismus und die slawischen Untermenschen zu kämpfen.
Dahinter steckten auch rassistische Motive, aber die Sowjetunion musste niedergerungen werden, damit die Herrschaft des Kapitals nicht in Frage gestellt bleibt. Faschismus ist die „terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“.

Wenn diese Tatsachen heute verschwiegen werden, steckt dahinter politische Absicht.
Wir sollen der „Niederringung Russlands“  zustimmen.
Wir sollen die Militarisierung unserer Gesellschaft hinnehmen.
Wir sollen kriegstüchtig werden, um in fünf Jahren einen Krieg gegen  Russland führen zu können.

Hier, an diesen 637 Gräbern von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sagen wir dazu laut und deutlich „Nein“!

Die Vorbereitung von Kriegen verläuft stets nach dem gleichen Muster: Dämonisierung des Gegners – ob Hussein, Assad, Gaddafi, Milosevic oder Putin, alles neue Hitlers. Es werden Lügen produziert, die wahren Kriegsgründe verschleiert – Eroberung von Rohstoffquellen und Märkten, Macht über Territorien und Menschen, Profite durch Waffenproduktion.
Darum werden Kriege vom Zaun gebrochen  – 1914, 1939 und heute.

Verantwortungslos ist  die Rolle der Massenmedien, die geradezu fanatisch eine antirussische Kampagne befördern. So werden Kriege gemacht. Man schlafwandelt nicht in einen Krieg!

Aber auch Frieden kann gemacht werden! Das beginnt mit sofortigem Einstellen der Kampfhandlungen, mit einem Waffenstillstand als Voraussetzung für Verhandlungen.

Zum Ukraine-Krieg habe ich an dieser Stelle vor einem Jahr meine Meinung gesagt: Dieser Angriffskrieg ist genauso völkerrechtswidrig wie der der NATO gegen Jugoslawien und der USA gegen Irak,und viele andere. Er ist eine furchtbare Tragödie, weil die Nachkommen derjenigen, die gemeinsam den Faschismus besiegt haben, heute aufeinander schießen – die einen mit deutschen Panzern.

Eine furchtbares Verbrechen geschieht jeden Tag in Gaza. Dieser Genozid am palästinensischen Volk ist nur möglich, weil trotz aller Proteste die Waffenlieferungen an Israel fortgesetzt werden. Die Heuchelei der Regierungen des sog. Wertewestens ist unerträglich.

Wer Kriege beenden und zukünftige vermeiden will, muss die Entstehungsgeschichte berücksichtigen. Beim Ukraine-Krieg ist es die aggressive Haltung der NATO und die Missachtung der Sicherheitsinteressen Russlands. Im Krieg Israels gegen die Palästinenser geht es um Landnahme, Wasser, Bodenschätze.

Der große Zusammenhang ist die sich ändernde Weltordnung. Die Weltmacht USA mit ihren 800 Militärbasen und den 900 Mrd. Dollar Militäretat kann nicht mehr uneingeschränkt herrschen. Die Länder des globalen Südens emanzipieren sich. Die große Aufgabe der Völker ist es, die Staaten, deren Einfluss sinkt, zum Frieden zu zwingen.

Nur im Frieden können die großen Menschheitsprobleme gelöst werden. Wir brauchen die Gelder, die heute für Rüstung ausgegeben werden, für Krankenhäuser, Bildung, Pflege, Infrastruktur. Damit wir nicht weiter das Gefühl haben, dass sich alles verschlechtert außer der Zahl der Millionäre, der Höhe der Dividenden.

Hartmut Rosa, Soziologe, sagt in einem Interview in der Tagesschau:

„Dabei braucht die globalisierte Welt kollektive Lösungen - gegen die ökologische Krise, gegen Krankheiten wie Covid-19, gegen globale Ungleichheit. Wer sich derart stark auf seine Kriegstüchtigkeit konzentriert, kann andere Krisen nicht lösen. Mit dem Zurückschrauben der Klimaziele und einem möglichen Aussetzen des Lieferkettengesetzes erleben wir bereits Rückschritte an anderen Fronten.“

„Das zentrale Versprechen der Moderne gilt nicht mehr. Die eigenen Kinder werden es nicht besser haben als man selbst. . . . Es herrscht Niedergeschlagenheit. Die Daten für die psychische Gesundheit bei Jugendlichen sind global katastrophal.“

Die Lösung liegt nicht in der Frage: "Taurus" - ja oder nein? Sondern: Wie sieht eine denkbare Zukunft aus?

Eine Zukunft hat die Menschheit nur mit Frieden, mit Gerechtigkeit, mit einer Wirtschaftsordnung, die weder die Menschen noch die sie umgebende Natur ausbeutet.
Wir Kommunisten nennen diese Kommunismus, den Bertolt Brecht das einfache was schwer zu machen ist nennt.

Schließen möchte ich mit einem Text von Bertolt Brecht:


Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.

Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.

Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es.

Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.

Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut:

Jetzt beginne ich erst. 

Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:

Was wir wollen, geht niemals.




Wer noch lebt, sage nicht: niemals!

Das Sichere ist nicht sicher.

So, wie es ist, bleibt es nicht.

Wenn die Herrschenden gesprochen haben,

Werden die Beherrschten sprechen.

Wer wagt zu sagen: niemals?

An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.

An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird?

Ebenfalls an uns.

Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!

Wer verloren ist, kämpfe!

Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?

Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen,

Und aus Niemals wird: Heute noch!


 


Werner Hensel