Am Ostersamstag beteiligten sich bei nasskaltem Wetter in Braunschweig über 200 Menschen am Ostermarsch, in dessen Mittelpunkt das Friedensgebot des Grundgesetzes stand. Aufgerufen hatten Friedensbündnis, Friedenszentrum Braunschweig, IPPNW Regionalgruppe Braunschweig in Kooperation mit dem GEW Kreisverband und den Naturfreunden Braunschweig.



Redebeiträge

 

Die Begrüßungsrede hielt Elke Almut Dieter vom Friedenszentrum Braunschweig e.V.
Vor dem Rathaus sprach Derya Rust von der IG Metall, auf dem Schlossplatz Florim Matteis vom SDAJ Jugendverband. An der Magnikirche Pastor Böger mit Musik von Peter Stoppok.
Auf der Abschlusskundgebung auf dem Kohlmarkt sprachen Sayed Tamassi vom Palästinensischen Verein in BS, Ute Lampe vom Friedensbündnis, und Christoph Krämer von der IPPNW

 

 




Rede Elke Almut Dieter


 
Im Mittelpunkt dieses Ostermarsches steht das Friedensgebot des Grundgesetzes. Dieses Friedensgebot gilt es einzuhalten und umzusetzen. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes waren sich ihrer Verantwortung für den Frieden bewusst und haben Deutschland im Grundgesetz dazu verpflichtet dem Frieden in der Welt zu dienen. Sie sahen Deutschland als einen gleichberechtigten Teil von einem vereinten Europa, wollten aus gutem Grund keine Aufrüstung zu einem Krieg und erst recht keine deutsche Vormachtstellung. Mit den Worten der Kriegsfähigkeit und Kriegsertüchtigung wurden schon 1914 und 1933 für den Kriegsdienst und angebliche Verteidigungskriege geworben. Alle Kriege wurden als Verteidigungskriege ausgegeben! Brauchen wir einen 3. Weltkrieg?

Auch heute angesichts des Ukrainekrieges in Europa, angesichts des Gaza-Krieges und der vielen anderen Kriege weltweit sind wir dem AuSrag des Friedens verpflichtet: Es geht darum, den Frieden zu gewinnen, Kriege zu beenden und nicht vorzubereiten. Dem Frieden dienen, heißt: sich mit größter Anstrengung für Diplomatie und Verhandlungen einzusetzen, um Kriege zu beenden und zu verhindern!


Die grenzenlose Bereitstellung von Milliarden-Krediten für die militärische Aufrüstung macht uns Sorgen. Ein teures Arsenal des Schreckens soll zu unserer Sicherheit beitragen?? Das Gegenteil ist der Fall. Nicht die Abschreckung verhindert Kriege, sondern die gemeinsame Sicherheit, die auf gegenseitigem Vertrauen zwischen den Staaten beruht. Nur Vertrauen und Verständigung dienen dem Frieden.

Wir wenden uns entschieden gegen die geplante StaPonierung US-Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite bis nach Moskau und in den Ural 2026 auf dem US-Militärstützpunkt bei Wiesbaden stationiert werden, um das Gleichgewicht des Schreckens herzustellen. Die von Russland als Bedrohungs empfundene Abschreckung macht uns zum Mittelpunkt eines Kriegsgeschehens.

Dem Frieden verpflichtet sein heißt:

- durch Verständigung Vertrauen zu schaffen
- in gemeinsamer Arbeit Abkommen zu schaffen und einzuhalten, die eine Grundlage für eine gemeinsame Sicherheit ist. Dem Frieden dienen wir nicht durch grenzenlose Aufrüstung! Der Bewilligung von den Rüstungsmilliarden muss Grenzen gesetzt werden. Dem Frieden dienen, heißt: sich für Diplomatie und Verhandlungen einzusetzen, um Kriege zu beenden.

Helmut Gollwitzer aus dem Jahr 1983: "Entweder wir schaffen die Rüstung ab - oder die Rüstung schafft uns ab."

 





Rathausvorplatz


Rede Dr. med Sayed Tarmassi (ungekürzter Redeentwurf)

 

Guten Tag, liebe Freundinnen und Freunde!
Vielen Dank, dass ihr heute hier in Braunschweig

Während ich heute den Fokus auf Gaza richte, dürfen wir nicht vergessen: Weltweit brennen Krisen und Kriege. In dem Ukraine-Russland Krieg sterben ebenfalls Unschuldige durch einen brutalen Krieg. Im Jemen leiden Millionen unter einer humanitären Katastrophe, die kaum noch in den Nachrichten vorkommt. In Syrien, Sudan, Kongo und vielen anderen Ländern tobt Gewalt.
2023 wüteten weltweit 59 Kriege und bewaffnete Konflikte – so viele wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese Konflikte mögen unterschiedlich sein, aber eines haben sie gemeinsam: Es sind immer die Zivilisten – die einfachen Menschen – die den höchsten Preis zahlen.

Über 300 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Hälfte davon sind Kinder. Weltweit befinden sich mehr Menschen auf der Flucht als jemals zuvor: Über 120 Millionen Menschen haben ihre Heimat verlassen müssen  – so viele wie mehr als die gesamte Bevölkerung Deutschlands und Frankreichs zusammen.

Diese Zahlen sind kaum begreifbar. Sie bedeuten unzählige gebrochene Lebensträume, verlorene Heimat, zerrissene Familien. Hinter jeder Zahl steht ein Mensch, der Frieden und Sicherheit verdient hat.

Warum erwähne ich all das heute? Weil Gerechtigkeit unteilbar ist. Weil das Leid der palästinensischen Familie in Gaza und das Leid der ukrainischen Familie derselben Menschheitsfamilie sind. Unsere Empathie kennt keine Grenzen. Wer für Gaza eintritt, tritt für alle ein, die unter Krieg leiden – egal wo. Und wer „Nie wieder Krieg!“ sagt, der meint das überall auf der Welt.


Wir stehen heute hier – am Ostersamstag, einem Tag der Hoffnung – in Solidarität mit allen Menschen, die leiden, wie in Palästina. Stellen wir uns für einen Moment vor, wir wären Eltern in Gaza: Wir hören Fluglärm und Bomben, wissen nicht, ob unsere Kinder den nächsten Tag erleben. Wir sehen unsere Nachbarschaft in Trümmern und haben kaum Wasser für unsere Familien. Dieses Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung müssen jeden Tag Millionen
Menschen in Gaza ertragen.
 
Wir können uns dieses unvorstellbare Leid kaum ausmalen – aber wir können mitfühlen. Unsere Herzen sind heute bei den Kindern, Frauen und Männern in Gaza. Ihr Leid schreit zum Himmel, und es fordert uns auf, unsere Stimmen zu erheben. Unsere Menschlichkeit ist gefordert. Deshalb sind wir heute hier, um laut und deutlich zu sagen: Genug
ist genug!

Die Situation in Gaza ist ein Leben in Trümmern und Angst

Schauen wir nach Gaza, wo seit 18 Monaten und 12 Tage, bzw 558 Tage ein Krieg tobt.

Bis jetzt sind in Gaza seit Herbst 2023 über 50.000 Palästinenser*innen getötet und über 115.000 verletzt worden.

Über 70 Prozent der Todesopfer sind Frauen und Kinder – ganze Familien wurden ausgelöscht. Stellen wir uns vor: Zehntausende unschuldige Menschen – Mütter, Väter, kleine Kinder – die in diesem Krieg ihr Leben verloren haben. Jeder einzelne war ein Mensch mit Namen, Gesicht und Träumen.




Diese Zahlen sind entsetzlich, doch hinter jeder Zahl steht unendlicher Schmerz.
Internationale Kinder-Institution wie UNICEF hat Gaza bereits im letzten Oktober als „Friedhof für Kinder“ bezeichnet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden bereits über 19.000 Kinder getötet – und die Zahl stieg täglich.

Inzwischen sind es weit mehr.

Man schätzt, dass in Gaza mehr Kinder in wenigen Monaten getötet wurden, als weltweit in allen Kriegen der letzten vier Jahre zusammen.

Gaza ist zu einem Ort geworden, an dem Kinder nicht mehr lachen, spielen und lernen können, sondern ums Überleben kämpfen. Welche Zukunft hat eine Region, in der eine ganze Generation traumatisiert oder ausgelöscht wird?




 
Auch diejenigen, die überleben, kämpfen jeden Tag. Über 1,9 Millionen Menschen – mehr als 90 % der Bevölkerung Gazas – wurden aus ihren Häusern vertrieben. Familien irren umher, oft mehrfach vertrieben, ständig auf der Flucht vor den Bomben.

Es gibt keinen sicheren Ort mehr. Die lebenswichtige Infrastruktur ist zerstört: Häuser und ganze Wohnviertel wurden dem Erdboden gleichgemacht. Krankenhäuser, Schulen, Strom- und Wasserleitungen – alles, was für ein normales Leben nötig ist, liegt in Trümmern.

Laut der Hilfsorganisation CARE sind fast 90 % aller Schulen in Gaza beschädigt oder zerstört. Stellt euch das vor: Fast alle Schulen! Den Kindern in Gaza wird nicht nur die Gegenwart, sondern auch ihre Zukunft genommen, weil ihnen das Recht auf Bildung faktisch geraubt wurde.

Doch nicht nur Bomben bedrohen das Leben – es ist auch die blockierte Versorgung. Gaza ist seit Monaten von der Außenwelt abgeschnitten. Es gibt kaum Trinkwasser und Lebensmittel. 95% weniger Wasser als üblich kann noch gefördert werden, weil Strom und Anlagen zerstört sind. Eltern sehen ihre Kinder verzweifelt nach einem Schluck sauberen Wassers suchen.

Die humanitäre Lage ist so katastrophal, dass Experten vor einer Hungersnot warnen. Kinder sterben nicht nur durch Bomben, sondern auch durch Durst und Krankheiten.

Gerade die Schwächsten leiden am meisten. Die Kinder in Gaza sind zutiefst traumatisiert. Bereits vor diesem Krieg brauchten über 800.000 Kinder in Gaza psychologische Betreuung  – jetzt sind es praktisch alle.

Viele von uns haben die Berichte gehört: Kinder, die nachts schreiend aufwachen, die ihren engsten Angehörigen verloren haben, die kein Lächeln mehr kennen. Und die Frauen – die Mütter – versuchen, in diesem Albtraum ihremFamilien zusammenzuhalten.

In Gaza und vielen Kriegsgebieten kämpfen Frauen jeden Tag ums Überleben. Sie bringen unter unvorstellbaren Bedingungen Kinder zur Welt weil viele Kliniken geschlossen sind oder in Schutt und Asche liegen.

Mindestens 23 Krankenhäuser in Gaza mussten ihren Betrieb einstellen. Stellt euch vor, eine Frau muss ihr Kind in einem Flüchtlingszelt oder sogar auf der Straße zur Welt bringen, ohne ausreichende medizinische Hilfe. Diese Mütter wissen nicht, wie sie ihre Neugeborenen versorgen sollen, weil es an Nahrung und sauberem Wasser fehlt.


Liebe Mitmenschen, was wir in Gaza sehen, ist auch ein Versagen der Gerechtigkeit. Dabei gibt es klare internationale Regeln und Rechte, die alle Menschen schützen sollen – gerade in Konflikten. Kinderrechte zum Beispiel: Jedes Kind hat das Recht auf Leben, auf Schutz vor Gewalt, auf Versorgung und Bildung. Diese Rechte werden in Gaza täglich mit Füßen getreten. Frauenrechte und die Würde jeder Person wird im Gaza-Krieg ignoriert.
Wir dürfen das nicht akzeptieren.

Die internationale Gemeinschaft hat gesprochen. Selbst der Internationale Gerichtshof in Den Haag, das höchste UNGericht, hat im Juli 2024 unmissverständlich festgestellt: Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik verstößt gegen das Völkerrecht. In einem Gutachten forderte der IGH Israel auf, die Besatzung der Palästinensergebiete so schnell wie möglich zu beenden. Diese klare rechtliche Einschätzung bestätigt, was wir intuitiv wissen: Die andauernde Unterdrückung und Gewalt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung ist unrecht. Doch bislang verhallen solche Appelle ungehört – das Unrecht geht weiter, Tag für Tag.  





Es darf keine Straffreiheit für Kriegsverbrechen geben – nirgendwo. Weder in Palästina noch anderswo. Organisationen wie die Vereinten Nationen und UNICEF schlagen Alarm und fordern seit Monaten einen sofortigen humanitären Waffenstillstand.

Menschenrechtsgruppen weltweit dokumentieren die Zerstörung, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können.

Als mitfühlende Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen wir diesen Ruf nach Rechenschaft und Gerechtigkeit unterstützen. Niemand steht über dem Völkerrecht, und jedes Kind hat ein Recht darauf, in Frieden aufzuwachsen.




Liebe Zuhörende, wir fühlen uns vielleicht ohnmächtig angesichts dieser gewaltigen Probleme.

Wir stehen hier im sicheren Braunschweig, während in Gaza, in der Ukraine und anderswo Bomben fallen. Aber unsere Stimme hier und heute ist nicht umsonst. Jede*r von uns kann etwas bewirken, indem wir nicht schweigen. Schweigen bedeutet Zustimmung – und das können wir mit unserem Gewissen nicht vereinbaren.

Lasst uns heute ein Zeichen der Hoffnung senden. So wie Ostern für Hoffnung und neues Leben steht, glauben wir daran, dass selbst nach dieser dunklen Nacht für Gaza ein Morgen dämmert.

Wir fordern von den Verantwortlichen in aller Welt:
Stoppt das Töten!
Schützt die Zivilbevölkerung!
Achtet das Völkerrecht und die Menschenwürde!
Öffnet humanitäre Korridore, liefert Nahrung, Wasser und Medizin.
Hebt die Blockade auf, lasst die Kinder in Gaza wieder atmen und träumen.
Und wir fordern einen echten diplomatischen Prozess, der zu einem gerechten Frieden führt – für Palästina und Israel gleichermaßen. Frieden ist möglich, wenn Gerechtigkeit herrscht.  





Wir hier in Deutschland haben auch eine Verantwortung. Unsere Regierung muss sich klar für das Völkerrecht einsetzen – egal wer es bricht. Wir erwarten, dass deutsche Politik sich für humanitäre Waffenruhen, für Hilfeleistungen und für die Einhaltung internationaler Gerichtsurteile stark macht.

Keine Doppelmoral mehr! Ein ziviles Leben in Gaza zählt genauso viel wie ein ziviles Leben hier in Europa. Jeder Mensch hat das Recht, in Frieden und Würde zu leben.
Zum Schluss appelliere ich an uns alle: Bewahren wir uns unsere Menschlichkeit. Lassen wir nicht zu, dass Zahlen und Schlagzeilen uns abstumpfen. Schauen wir hin, fühlen wir mit und handeln wir – im Kleinen wie im Großen.

Das kann Spenden für Hilfsorganisationen bedeuten,
das kann bedeuten, Politiker*innen und Medien anzuschreiben,
oder einfach im eigenen Umfeld die Stimme gegen Unrecht zu erheben.
Jede Geste der Solidarität zählt.

Hier und heute senden wir eine Botschaft aus Braunschweig in die Welt: Wir stehen an der Seite der Unterdrückten. Wir stehen für Frieden, für Gerechtigkeit und für die Achtung der Menschenwürde – in Palästina und überall. Lassen wir diese Stimme weiterklingen, auch wenn die Demonstration vorbei ist.

Bleiben wir laut, bis das Morden endet und die Kinder von Gaza und überall in den Kriegsgebieten dieser Welt eine Zukunft in Frieden haben.

Vielen Dank.

 


 Rede Dr. Ute Lampe, Friedensbündnis

 

Wir erinnern mit unserem Ostermarsch in diesem Jahr an unser Grundgesetz. Das Grundgesetz, das der Parlamentarische Rat am 8. Mai 1949 beschlossen hat. 4 Jahre nach Kriegsende hieß es „aus der Geschichte lernen“.

Wir erinnern aber auch an das Ende des 2. Weltkriegs vor 80 Jahren, an die Befreiung von Faschismus und Krieg. Denn die Erinnerung an die Schrecken der Gewaltherrschaft des Nazi-Deutschlands hat das Grundgesetz geprägt.

Deshalb heißt es in der Präambel “Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“

Und die Wiederbewaffnung war 1949 nicht Teil des Grundgesetzes. Statt dessen hieß es im Artikel 4 Absatz 3 “Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Das Wehrpflichtgesetz wurde erst 1956 aufgenommen bis es 2011 ausgesetzt wurde.

Im Artikel 5 Absatz 1 heißt es „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. … Eine Zensur findet nicht statt.“ und im Artikel 8 Absatz 1 „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“

Leider beobachten wir sowohl zum Krieg in der Ukraine als auch in Gaza eine extreme Verengung des Diskusses. So wird die freie Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ganz offensichtlich in Bezug auf den Genozid in Gaza beschränkt, mit der Begründung möglichen Antisemitismus. Demonstrationen oder Mahnwachen werden nicht genehmigt, wegen möglicher Ausschreitungen, oder sie wurden unter häufig fadenscheinigen Begründungen vorzeitig aufgelöst. Die verbeamtete Juristin Melanie Schweizer, ehemals Bundesministerium für Arbeit und Soziales, wurde wegen ihrer Äußerungen zum Gazakrieg sogar entlassen. Kriminalisierungen betreffen aber auch Klimaschutzaktivist*innen, wie Lisa Pötting, die wegen ihrer Kapitalismuskritik vom Referendariat ausgeschlossen wurde.

Das ist nicht nur ein Skandal, sondern eine Bedrohung für unsere Demokratie. Und das ist nicht das, was die Väter und Mütter des Grundgesetzes mit Blick auf den Naziterror bezweckt haben.

Sogar der UN-Sonderberichterstatterin für Palästina Francesca Albanese wurde das Podium entzogen, obwohl die schrecklichen Nachrichten über das Leid der Palästinenser in Gaza und der Westbank nicht abreißen und wir live die Kriegsverbrechen des israelischen Militärs in Gaza miterleben.

Statt dessen kann der rechtsextreme Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, gegen den der Internationale Strafgerichtshof wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen einen Haftbefehl ausgestellt hat, ungehindert in Europa ein- und ausreisen. Und kein Aufschrei in Deutschland und Europa.


Herr Merz setzt sogar noch einen drauf: Er schließt eine Einladung Netanyahus nicht aus. Dabei müsste Deutschland nach den Statuten Netanyahu an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern.

Deutschland macht sich zudem mitschuldig an dem Völkermord in Gaza, in dem wir weiterhin Waffen an die rechtsextreme Regierung in Israel liefern. Das ist unerträglich, das muss ein Ende haben. Herr Scholz, Frau Baerbock, Herr Merz: Fordern sie von der israelischen Regierung endlich ein Ende der Kampfhandlungen.

Westliche Staaten einschließlich Deutschland nutzen das Völkerrecht ganz offensichtlich nach belieben. Alternativ bedienen sie sich der Begriffschimäre „Regelbasierte Ordnung“. Damit werden völkerrechtswidrige Angriffskriege, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen legitimiert, die territoriale Unversehrtheit von Staaten verletzt, internationale Rechtsprechung ignoriert.

Dabei sind wir auch durch Unterzeichnung der UN Charta dem Frieden verpflichtet. Darin heißt es „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen …“

In Deutschland stellen wir aktuell das Gegenteil fest. Es wird auf Aufrüstung gesetzt, das Land und die Bürger müssen kriegstüchtig gemacht werden. 100 Mrd. € Sondervermögen bzw. Sonderschulden für die Bundeswehr gab es bereits 2022. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 lagen die Militärausgaben bei 90,6 Mrd. Euro, der Bundeshaushalt umfasste ~477 Mrd. Euro, d.h. knapp 19 % des gesamten Bundeshaushaltes wurden in das Militär investiert, das waren für 2024 2,1 % des Bruttoinlandsprodukts BIP -also eine Übererfüllung der NATO Ziele.

Auf dem Gipfeltreffen im Juni 2025 sollen die Mitgliedsstaaten der NATO - statt bisher 2 Prozent - 3 bis 3,5 Prozent des BIP beschließen. Hätten wir diese Anforderung bereits 2024 gehabt, so wäre ein Anteil von 32 % des Bundeshaushalts allein für das Militär gewesen.

Von den aktuell beschlossenen 500 Mrd € Sonderschulden für Verteidigung und Infrastruktur können Militärausgaben über 1 % des BIP unbegrenzt mit den Schulden bezahlt werden. Politiker verkaufen diese Investitionen als Konjunkturspritze. Dagegen sagen Vertreter der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik, dass Rüstung eine vergleichsweise schlecht Investition sei, wenn es um die Förderung der Volkswirtschaft geht.

Wer bezahlt die Zeche? Klar ist, je mehr Schulden ein Staat zurückzahlen muss, desto weniger Geld ist für etwa Rentenzuschüsse, Kindergeldzahlungen oder Beamtengehälter da.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, spricht es frei heraus, dass in den nächsten Jahren bei der Sozialversicherung gespart wird. Er sagt, wenn die Ausgaben für Verteidigung erhöht werden, dann gehe das zwangsläufig auf Kosten anderer Aufgaben. Gesundheit, Pflege und Rente seien die großen Herausforderungen und da werde es auch unangenehme Entscheidungen geben, so Herr Frei.

Dass die Daumenschrauben angezogen werden, sehen wir am letzten Verhandlungsergebnis im öffentlichen Dienst: Ein Lohnabschluss mit Realverlusten und eine freiwillige 42 Stundenwoche. In Brandenburg kam es kurzzeitig zu einem Einstellungsstopp für Lehrer, es musste erstmal ein Kassensturz gemacht werden. Das trotz Lehrermangels, der in nahezu allen Bundesländern besteht und sich in den nächsten Jahren verschärfen wird.

Wir benötigen Milliarden für Bildung, Gesundheitswesen und soziale Sicherheit und keine Einsparungen in diesen Bereichen zugunsten von Rüstungsgütern. Über Medien und Politik werden wir mit Drohkulissen aus dem Osten verunsichert, verängstigt und kriegstauglich gestimmt, um den Weg der Milliarden für die Rüstung zu ebnen. Uns wird eingeimpft, dass der Feind im Osten steht und wir uns verteidigen müssen. Tatsächlich gehen Rüstungsgelder auch in Angriffswaffen, wie dem Taurus. Deutschland geht damit auf Kriegskurs und das ist brandgefährlich. Wir fordern deshalb Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit von der Regierung.

Wir sprechen uns gegen jede Form von Gewalt und Vertreibungen aus, gegen Kriege und Konflikte, die vermeintlich nur militärisch zu lösen sind. Kriege verursachen unendliches Leid. Krieg kennt keine Moral. Krieg führt zu Entgleisungen, und Entmenschlichungen. Wir fordern die Bundesregierung auf, einen Kurswechsel einzuleiten und die Diplomatie wieder als Leitlinie politischen Handelns in den Mittelpunkt zu stellen anstatt Kriege und Konflikte durch Waffenlieferungen anzuheizen.

Wir sind solidarisch mit den Menschen, die unter Konflikten und Kriegen leiden und mit denen, die bei uns Schutz suchen, wie es in unserem Grundgesetz steht.

Es gilt das gesprochene Wort.

Dr. Ute Lampe Braunschweig

 


 Rede Dr. Christoph Krämer, IPPNW




- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Braunschweigerinnen und Braunschweiger,

nach mehreren sehr guten Redebeiträgen möchte ich zum Schluss noch einmal 3 Fragen beleuchten:

Die Bedrohung durch Russland, vor der wir jetzt auf fast allen Kanälen andauernd gewarnt werden – ist da unser Ruf nach Entspannung und Verständigung nicht naiv?

Wie ist die US-Initiative für Frieden in der Ukraine zu sehen? Sind nicht Trump wie Putin übel-autoritäre Staatsführer und ihr Friedensplan für die Ukraine ungerecht?

2026 sollen US-Mittelstreckenwaffen speziell in Deutschland stationiert werden. Würden sie unsere Sicherheit erhöhen – oder gar gefährden?

Zur 1. Frage – Russlands Einmarsch in die Ukraine sei erst der Anfang, in 5 Jahren müssten wir mit einem Angriff auf ein NATO-Land rechnen – daher bräuchten wir jetzt „Kriegstüchtig-keit“, eine riesige Aufrüstung sowie eine UNBEGRENZTE Verschuldung zu ihrer Finanzierung (Zitat Merz: „Whatever it takes“).

Zu ihrer Beantwortung müssen wir auf 2 Dinge schauen:

    a) Was könnte Russland von uns WOLLEN?
    b) Zu was ist Russland FÄHIG?

Der Grund für Russlands Einmarsch in die Ukraine war die Missachtung seiner Sicherheitsin-teressen – das Übertreten seiner Roten Linie in Gestalt der NATO-Aufnahme des Landes, die es als vitale Bedrohung versteht: Wegen des Griffs nach seiner Schwarzmeerflottenbasis auf der Krim und der Stationierungsmöglichkeit für Raketen nur wenige Flugminuten von Mos-kau entfernt. Weshalb auch westliche Experten seit VIELEN JAHREN vor so einem Schritt ge-warnt haben. Hinzu kam Präsident Selenskyjs Angriffsbefehl auf die Krim und die Ostukraine 2021(!), unter Bruch von Minsk II. Beides erlaubt nicht einen Einmarsch in ein anderes Land. Daraus aber „russischen Imperialismus“ abzuleiten, überspannt den Bogen doch erheblich.

Zu möglichen russischen Begehrlichkeiten in Westeuropa:

Welche Bodenschätze könnte Putin hier rauben wollen? Vielleicht unsere Kohle – die wir selber nicht mehr fördern wollen?!

Ebenso ABSURD ist die Behauptung einer westlichen „Fähigkeitslücke“: Schon dem europä-ischen Teil der NATO ist Russland laut SIPRI-Daten und Greenpeace-Studie konventionell weit unterlegen. Und hat militärisch schon mit der viel schlechter gerüsteten Ukraine große Schwierigkeiten. Was wir stattdessen fragen sollten:

Was führen diejenigen im Schilde, die aus einer hohen Überlegenheit des Westens jetzt eine HAUSHOHE Überlegenheit machen wollen? Dient das mantra-artige Beschwören der Bedro-hung durch Russland gar der Vorbereitung eines westlichen Angriffs auf Land? (s.a. Punkt 3.)

Zu 2., dem Trump-Friedensplan für die Ukraine und den europäischen Versuchen, den Krieg unter allen Umständen fortzusetzen – mit weiteren EU- und deutschen Steuer-Milliarden, mit zahllosen weiteren Toten und Verstümmelten (wofür sich kürzlich eine „Koalition der Willigen“ im NATO-Hauptquartier getroffen hat):

Begründet wird das mit der Forderung nach einem „gerechten Frieden“. Aber auch hier gilt: Achtung Irreführung! Oder wer meint bitte ernsthaft, dass die Fortführung von 3 Jahren Blutvergießen und Zerstörung, die nur eine VERSCHLECHTERUNG für die Ukraine gebracht haben, jetzt plötzlich zu einer Verbesserung führen könnte?

Woran auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, die Merz jetzt gerade wieder auf-gebracht hat, nichts ändern würde. Unsererseits: VETO dagegen!! Und Widerspruch gegen Merz‘ Ansicht, die Debatte darüber gehöre nicht in die Öffentlichkeit (BZ vom 17.04.25)! Diese von deutschen Offizieren zu programmierenden bunkerbrechenden High-Tech-Waffen reichen mindestens 500 km weit. Stellen Sie sich vor, Selenskyj beschießt damit den Kreml – laut russischer Nukleardoktrin ein Fall für den Einsatz von Atomwaffen.

Im Atomkrieg werden wir ÄrztInnen Euch nicht helfen können. Dazu dürfen wir es nicht kommen lassen! Denn die Lebenden werden dann die Toten beneiden…

Mein Plädoyer – das KEINE Werbung für Trump oder Putin ist, sondern für Vernunft, und für Menschlichkeit:

Wenn zwei so mächtige Menschen – die Präsidenten der Vereinigten Staaten und Russlands, die bisher Todfeinde waren – jetzt FRIEDEN wollen, sollten wir EuropäerInnen, die bis jetzt fast nichts dafür unternommen haben, das nicht torpedieren – wie die BZ, die diesen Frieden in ihrer „Analyse“ am 17.04. „verhängnisvoll“ nannte), sondern UNTERSTÜTZEN!

Und noch etwas dazu: Wichtiger als sog. „Friedenstruppen“ ist die Wiedergewinnung von VERTRAUEN zwischen den Feinden. Das heißt: Wenn Trump jetzt ein Engagement großer US-Konzerne in der Ukraine anbietet, ohne das mit Truppen zu flankieren:

Lasst ihn machen! Vertrauensbildung mag bisher undenkbar erscheinen, ist aber essenziell! Eine OSZE-Verifizierungsmission: Gerne! Hingegen WIEDER deutsche Soldaten (/innen?) an die Ostfront (auch mit draufgeklebtem Etikett „Friedenstruppe“): NEIN!!

Zu 3., der Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen (SM-6, Tomahawks und Dark Eagle) ab 2026 in Deutschland – und nur in Deutschland! – unter US-BEFEHL (in Wiesbaden), ja, unter Befehl von DONALD TRUMP: Welchem Zweck sollen sie dienen?

Wir sprechen hier von zum Teil hyperschall-schnellen, bis nach Moskau und noch viel weiter reichenden Raketen und Marschflugkörpern mit extrem kurzer Vorwarnzeit, die nahezu nicht abzufangen sind! Was soll mit solchen Angriffswaffen erreicht werden?

Sie sind ja nicht, wie die Pershing II in den 1980er-Jahren, mit einem Verhandlungsangebot verknüpft. Warten, bis Russland ebenso viele Hyperschallwaffen auf unsere Köpfe gerichtet hat? Oder GLEICH damit angreifen – also einen Angriffskrieg planen (was durch UN-Charta, 2+4-Vertrag und Grundgesetz verboten ist!)?? Bitte sagen Sie mir das!

Erfahrene Militärexperten wie Oberst a.D. Wolfgang Richter warnen:

Selbst wenn sie nur konventionell bestückt werden sollten, macht uns schon ihre Aufstellung zur ZIELSCHEIBE – sie erhöht also nicht unsere Sicherheit, sondern gefährdet sie. (Ganz abge- sehen davon, dass sie ein Instrument der USA sind, mit nach Europa auslagerten Risiken).

Abschließend – DAS SIND DIE ALTERNATIVEN, DIE WIR FORDERN:

Nach über 3 Jahren Blutvergießen und Zerstörung: Keine Taurus-Lieferung! Die jetzige Chance zur Beendigung des Ukrainekrieges nutzen und einen realisierbaren Friedensplan mittragen – Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts!

Rückkehr ALLER – auch des Westens – zu Völkerrecht und Grundgesetz statt gesellschaftliche und außenpolitische Eskalation und Doppelmoral!

Für eine neue Entspannungspolitik mit Respektierung der Sicherheitsinteressen aller Akteure: Verständigung mit Russland statt Hochrüstung und Kriegsplanung!

Massive Uminvestition in Schulen, Krankenhäuser, Eisenbahn und Klimarettung!

Atomkrieg in Europa ist nicht gewinnbar, wir müssen ihn verhindern:

Keine Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen 2026 in Deutschland – den >Berliner Appell< unterstützen!

Vielen Dank.

 

Dr. Christoph Krämer ist Mitglied der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW):


 

weitere Beiträge folgen nach.


 

 

 

 

 

 

 

 

 




Bildquellen: von den Veranstaltern und Teilnehmenden
 



Ostermärsche 2025 Presseberichterstattung
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