DISKUSSION aktuell:
Ende Januar 2021 (Friedenszentrum) - von Ingeborg Gerlach
In welches Land hat die Bundesrepublik die meisten Soldaten und Soldatinnen entsandt? Nein, nicht nach Afghanistan, sondern nach Mali. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit findet hier seit etwa 2011 eine Auseinandersetzung statt zwischen der korrupten Regierung eines „failing state „und verschiedenen terroristischen Gruppierungen, die teils Al Kaida, teils dem IS nahestehen. Betroffen sind auch die Nachbarstaaten im Sahel, der Halbwüstenzone südlich der Sahara, nämlich Burkina Faso, Niger, Tschad und Nigeria. Die Konflikte drohen aber auch auf den Sudan und andere afrikanische Staaten überzugreifen. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich ist sehr an diesem Gebiet interessiert, weil Bodenschätze, vor allem Uran, dort vermutet werden, und schickte Truppen. Da diese aber allein nicht ausreichten, entsandten die UN eine Blauhelmtruppe von 14000 Soldaten namens Minusma, der auch 1000 deutsche Soldaten und Soldatinnen angehören. Dieses ist das größte Kontingent, das die Bundesrepublik je entsandt hat. Minusma ist die gefährlichste Mission, welche die UN derzeit unterhält. Das alles findet meist unterhalb des Radarschirms der Medien statt. Nur wenn alle Jahre wieder eine Verlängerung des Mandats erforderlich ist, die denn meist mit einer Truppenerhöhung verbunden wird, fällt ein kurzer Strahl der Aufmerksamkeit auf diesen verdeckten Krieg.
Er hat verschiedene strukturelle Ursachen. Eine ist die Armut. Niger ist das ärmste Land Afrikas. Korruption und Misswirtschaft vergrößern die Besitzunterschiede. Dazu kommt der Klimawandel, der die fruchtbaren Böden verringert und einen erbitterten Konkurrenzkampf um Weiden und Ackerland entbrennen lässt. Viele Regionen sind inzwischen total überweidet. Und die Wüste wächst. In dieser Situation bilden sich, oft aus purer Not, räuberische Banden, welche sich den islamistischen Terrorgruppen anschließen ( z.B. Boko Haram). Frankreich wusste in dieser Situation keinen anderen Ausweg als immer wieder neue Truppen zu schicken, die aber wenig ausrichteten. Dass es andere Ansätze geben müsste als immer nur an den Symptomen zu kurieren, fiel weder Paris noch Berlin ein.
Bis jetzt, Anfang 2021, der französischen Präsident Macron einen alten Plan wiederbelebte, eine Grüne Mauer aus Bäumen quer durch den Sahel vom Atlantik bis nach Somalia, zum Horn von Afrika, zu ziehen. Der Klimawandel soll dadurch verlangsamt werden. Macron hofft auf eine nachhaltige Entwicklung des Sahel, welche die Armut vermindert und die massenhafte Flucht der Bewohner nach Europa stoppt. .Ob die politischen Probleme, vor alle die Korruption, dadurch zum Verschwinden gebracht werden, bleibt fraglich. Aber es ist ein Gegenkonzept zur unendlichen Rüstungsspirale. Vielleicht kann es der geschundenen Sahelzone eher Frieden bringen als die Entsendung immer neuer Truppen. Dann wären die zehn Milliarden, die für das Projektausgegeben werden, gut angelegt.
Die älteren Braunschweiger erinnern sich noch an den Gesamtschullehrer Heinz Friedrich, der eine enge Verbindung zwischen seiner Schule und der in Ouallam (Niger) pflegte. Neben sonstiger Unterstützung spielten bei diesem Projekt Bäume eine zentrale Rolle. Die Schule und ihre Umgebung wurden zur lebenspendenden Oase im Kampf gegen die Wüste. Ich frage mich, ob von dieser Tradition noch etwas in Braunschweig vorhanden ist.
Gabriele Canstein macht mich darauf aufmerksam, dass „Slow Food“ eine ähnliche Aktion durchführt: Seit 2011 ist die Organisation dabei, 10 000 Slow Food -Gärten in Afrika anzulegen, darunter zahlreiche in der Sahelzone. Sie dienen der Ernährung der Bevölkerung mit regionalen Nahrungsmitteln, aber bekämpfen auch den Klimawandel und üben so eine nachhaltige soziale Wirkung aus. Die Aktion im Rahmen der Ausstellung „social design“ in der Brüdernkirche ist leider derzeit nicht zu besichtigen.
Ingeborg Gerlach