Vortrag und Diskussion mit Jürgen Wagner - Videomitschnitt und Bericht
Video zur Veranstaltung vom 10.4.2025 im Haus der Kulturen, Braunschweig
https://youtu.be/0s3wg5e627s
»Kriegswirtschaft in Deutschland und Europa«
Jürgen Wagner hielt den oben genannten Vortrag vor einem Publikum von ca. 60 Personen, deren zahlreiche Fragen und Statements großes Interesse zeigten.
Zusammenfassung des Vortrages von Elke-Almut Dieter:
Beschleunigte Genehmigungen und Geld sind die Zutaten für die Kriegswirtschaft. Das 2014 in der Agenda Rüstung entstandene Narrativ der kaputtgesparten Bundeswehr hat mit der realen Ausgabenentwicklung nichts zu tun. Der Etat für die Bundeswehr/ für das Militär ist von 2000 bis 2022 um 30% auf 50,4 Milliarden Euro gestiegen. Mit dem von Scholz ausgerufenen Sondervermögen hat der Etat die 2,1% des BIP erreicht: das sind 90,6 Milliarden Militärausgaben. Sie setzen sich zusammen aus: 51,95 Milliarden Euro aus dem Militäretat, 19.8 Milliarden Euro Sondervermögen und weiter 18,83 Milliarden Euro aus den normalen Haushaltstöpfen. 2,1% des BIP sind 18 bis 19% des gesamten Haushaltes.
Sondervermögen sind Schulden, die Zinsen und Rückzahlung werden beträchtlich sein. Dazu kommt, dass die neue Regierung unter Merz bereits im Koalitionsvertrag festgelegt haben, dass die Militärausgaben steigen werden – ohne Zahlenangabe, die Höhe soll sich nach den NATO–Fähigkeitszielen richten. Der Regierungsbeschluss (Aussetzung der Schuldenbremse für Militärausgaben über 1%) im Bundestag am 18.3., im Bundesrat am 21.3. sieht eine schulden- und kreditfinanzierte Erhöhung auf 3,6 % des BIP vor: Das sind für das Jahr 150 Milliarden Euro für Militärausgaben und für Infrastruktur-.inkl. der Waffenlieferungen an die Ukraine. Zustimmungen zu dem Gesetz von SPD und Grünen kam durch die Hoffnung auf Geld für die Infrastruktur. Die Ausgaben müssen aber einzeln genehmigt werden… Zur Infrastruktur gehören auch Ausgaben, die dem Militär nutzen wie z.B. der Autobahnausbau der A20 für die Transporte zur Ostgrenze, auch Brücken, die die Last der Panzer nicht tragen können.
Die Industrie muss liefern, braucht ein neues Industriemodell: große Stückzahl und Großserienfertigung. Dafür braucht die Industrie veränderte Vorschriften, Moratorien.
- ein Abtakeln von Einschränkungen zum Naturschutz, Lärmbelästigung, Gesundheit …
- ein anderes Planungs- und Genehmigungsrecht
- Kapazitätsvorhalteprämien (ein Ausbau der Industrieanlagen)
- Ausnahmen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht
- priorisiertes Beliefern von Rohstoffen
- Vorhalteverträge, Abnahmegarantien
- Bevorzugung militärische Infrastrukturmaßnahmen (sie werden im überragenden öffentlichen Interesse sein)
Bayern hat bereits ein Gesetz zur Förderung der Bundeswehr erlassen.
Bedrohte Schlüsselunternehmen werden vom Staat gerettet/ übernommen
Dazu Beispiele: Häfen Rostock/ Warnemünde zu Hensol, Wismar zu TKNS, in Görlitz übernimmt KNDS, ein deutsch-französischer Rüstungskonzern, das Alstomwerk, das statt Eisenbahnen jetzt Panzer baut …, Autoindustrie geht an Rheinmetall u.a. 2 VW-Werke in Osnabrück … Rheinmetall übernimmt Mitarbeiter*Innen auch bei Conti, auch Trumpf und Vileda wollen umstellen auf Kriegsproduktion.
Auf europäischer Ebene
Am 4. März 2025 hat Frau von der Leyen die Ära der Aufrüstung ausgerufen. Sie bezieht sich auf das Weißbuch Verteidigung der EU und auf das Strategie- und Rüstungsprogramm EDIP vom März letzten Jahres. Das Weißbuch bereitet die Abnabelung von den USA vor. Die EU sieht sich als Führungsmacht, denn „die Welt braucht einen neuen Anführer.“
Ziel bis 2030 50% der Rüstung sollen aus der EU kommen, bis 2035 60%. Das bedeutet Massenproduktion, Ausbau der eigenen europäischen Kapazitäten, mehr Produkte – Kriegswirtschaft. In prioritären Projekten muss eine europäische Lösung gesucht werden. Fremdkauf (in USA) nur mit voller Kontrolle über das Produkt.
Rüstungsgüter sollen von der MwSt befreit werden und zwar mit allen Lebenszykluskosten bis hin zur Verschrottung. Die Lebenszykluskosten des Bombers FCAS (Unterhalt, Lagerung von Verladungsgütern, Wartung) liegen bei 1,1 Milliarden, am Ende bis zu Billionen.
Das Rüstungsprogramm EDIP greift in unternehmerische Grundrechte ein, verpflichtet Unternehmen zu einer Produktion.
Finanzierung des Rüstungsprogramms: Erhöhung der Verteidigungsausgaben
Rearm Europe durch:
1. 150 Milliardenkredit zum Ankauf der Schlüsselfähigkeiten
2. Veränderung der Maastrichkriterien: Schuldenaufnahme in Höhe von mindestens 1,5 des BIP - mindestens für 4 Jahre
3. Gelder aus dem Kohäsionsfond, eine Infrastrukturhilfe für ärmere Länder
4. Für Investitionen Vergabekriterien anpassen
5. Eine Überarbeitung der Nachhaltigkeitskriterien zur Finanzierung der fehlenden Milliarden
6. EU behauptet: Militärausgaben der EU sind gerechtfertigt, sie sind geringer als die in Russland (Sipri widerspricht, Kaufkraftbereinigung bei Rüstung ist nicht richtig)
Das IFO-Institut München und das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW begrüßen diese Regelungen. Moritz Schularick (Kiel) meint, Deutschland müsse sich am 3,5% des BIP orientieren und die Kosten langfristig in den normalen Haushalt umschichten. Er prophezeit harte Budgetentscheidungen zwischen Kanonen und Butter. Der Kernhaushalt müsse die Verteidigung sein, Renten sind konsumptiv. 3,5% bedeutet den sozialen Kahlschlag auf Kosten der Rentner.
Jürgen Wagner mahnt, Kürzungsdebatten werden vorbereitet, sie dürfen nicht den Rechten überlassen werden!!! Die GEW klagt gegen das bayrische Bundeswehrgesetz.
Video zur Veranstaltung vom 10.4.2025
https://youtu.be/0s3wg5e627s