Vortrag von Oberstleutnant a.D. Jürgen Rose am 18.02.2016, Vorstandsmitglied des Darmstädter Signal.
Die Bundeswehr im Krieg? Warum sind deutsche Soldaten in Syrien, in der Türkei, in Mali?
Herr Rose weist ausführlich das Friedensgebot des Grundgesetzes nach. Es begrenzt den verfassungsrechtlich erlaubten Gebrauch deutscher Streitkräfte (GG Art.26, Art.25 und Art.24) auf die im Völkerrecht vorgesehenen Fälle. Das Bundesverfassungsgericht klärte 1994, dass der militärische Einsatz der Bundeswehr auch außerhalb der Landesgrenzen, aber im Rahmen der kollektiven Sicherheit erlaubt ist. Erst 2005 wurde der Verteidigungsbegriff präzisiert zu dem Recht auf Notwehr und zu dem Recht auf Nothilfe für andere Staaten – entsprechend dem § 51 der Charta der Vereinten Nationen.
Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wollten “nie wieder Krieg“, die meisten Menschen heute auch nicht. Die Entgrenzung des Bundeswehrauftrages nach dem Kalten Krieg hat aber zum Ziel, die Fähigkeit der Bundeswehr zu steigern, einen Krieg zu führen. Der Paradigmenwechsel von der Verteidigung hin zur globalen Interventions- und Angriffsfähigkeit spiegelt sich in den Rüstungsbeschaffungsprogrammen: Das Verteidigungsministerium kauft Satelliten, Drohnen, Langstreckentransportflugzeuge, Kampf- und Transporthubschrauber, gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, Kampfflugzeuge, Marschflugkörper, Über- und Unterwasserkampfschiffe. Innerhalb der letzten zehn Jahre wurden die deutschen Militärausgaben um 20% gesteigert.
Die neue deutsche Sicherheitspolitik wird politisch mit der Übernahme vermehrter internationaler Verantwortung begründet. Thomas de Maizière: „Wohlstand erfordert Verantwortung.“ – „Wir haben ein nationales Interesse am Zugang zu Wasser, zu Lande und in der Luft.“
Sehr deutlich erklärte es Horst Köhler nach seinem Truppenbesuch in Afghanistan: …, warum Deutschland … Krieg führt, nämlich weil … “ein Land unserer Größe mit der Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“
Die Entgrenzung des Bundeswehrauftrages zeigt sich auch bei der Rechtfertigung des Einsatzes der Streitkräfte. Sie dienen nicht mehr nur der Verteidigung, sondern auch der präventiven Selbstverteidigung und der antizipatorischen Nothilfe für Bündnispartner im Rahmen einer „Responsibility to Protect“ (um Menschenrechte in anderen Ländern durchzusetzen, d.h. Menschen zu schützen).
Jürgen Rose stellt die Frage, inwieweit die Sicherheitspolitik den Boden des Grundgesetzes nicht längst verlassen hat. Das Bundesverwaltungsgericht vom 21.06.2005 betont in seinem Urteil: „…dass der Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung, mithin stets nur als Abwehr auf einen militärischen Angriff erlaubt, jedoch nicht zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer oder politischer Interessen.“
Jürgen Rose warnt vor der Entwicklung, dass der Einsatz der Bundeswehr einer Macht- und Interessenspolitik dient und vor dem Hintergrund der "Globalisierung" missbraucht wird.
Da sich der Einsatz der Truppen für eine humanitäre Intervention nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren lässt, fordern einige Politiker eine Grundgesetzanpassung durch eine Erweiterung des Artikels 87a.
Jürgen Rose erteilt diesen Forderungen eine Absage, warnt vor der schleichenden Rehabilitierung des Krieges, fordert das grundgesetzliche Friedensgebot zu stärken und friedensstörende Handlungen unter Strafe zu stellen. Frieden durch Recht! Sein Vorschlag ist die Novellierung des §80 STGB: Wer vorsätzlich eine Handlung unternimmt, die gegen die in Kap.1 Abs.1 und 2 ihrer Satzung kodifizierten Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstößt und damit eine Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren oder mit mit lebenslanger Haft bestraft.
Elke Almut Dieter