"Das Streben nach Glück" (the pursuit of happiness) steht sogar in der Unabhängigkeitserklärung der Neuenglandstaaten von 1776, gleichberechtigt mit "Leben" und "Freiheit". Das scheint unser freiheitsliebender Präsident nicht auf dem Schirm gehabt zu haben, als er die Deutschen in einer Ansprache vor der Führungsakademie der Bundeswehr als "glückssüchtig" schalt, nur weil sie sich nicht an neue Kriegsgefallene gewöhnen wollen.
Die Deutschen haben das Ende des Kalten Kriegs mit Erleichterung wahrgenommen, schließlich saß der Feind nur wenige Kilometer weiter ostwärts und sprach Deutsch. Der neue Feind, gegen den wir kämpfen sollten, war muslimisch, trug Bart und Turban und hörte auf den Namen "Terrorist". Er war in Afghanistan zu finden, aber auch sonst überall, und daher war er für die durchschnittlichen Bürger auch kein verinnerlichter Feind, für den man seine Soldaten opfern wollte.
Dass aber schon im Weißbuch der Bundeswehr von 2006 stand, die Bundeswehr diene den Sicherheitsinteressen der BRD, zu denen auch die Rohstoffversorgung gehöre, nahm die Öffentlichkeit nicht richtig zur Kenntnis. Und als der naive Köhler es einmal auf dem Rückflug von Kabul aussprach, erschrak er über seine eigene Aussage, die er so nicht gemeint haben wollte, und warf das Handtuch.
Jedoch: Der Umbau der auf Verteidigung angelegten Bundeswehr zu einer Interventionsarmee ist weitgehend vollzogen, und jetzt fordert Gauck, dass wir diese neue Situation nicht nur akzeptieren, sondern gutheißen. "Verantwortung übernehmen", nennt er das. Klingt sehr schön. Das gehört zu den Tricks der neuen Weltordnung, dass positiv besetzte Begriffe durch die Zuschreibung neuer Bedeutungen vollkommen umorientiert werden. "Reform" ist auch so ein Wort. Unter Willy Brandt klang es noch nach gesellschaftlichem Fortschritt, seit der Ära Schröder heißt das "Umverteilung von unten nach oben."
Und jetzt "Verantwortung": Wir sollen Ja sagen zu Interventionen in aller Welt, überall dort, wo es geostrategisch oder aus Versorgungsgründen angebracht erscheint. Verluste müssen wir dafür auch in Kauf nehmen, das ist quasi ein moralisches Gebot. "White man´s burden", hieß es früher bei den Engländern, die Opfer für ihr Kolonialreich bringen mussten. Wir als Exportweltmeister müssten auch solche Lasten übernehmen, denn die Kämpfe ums Öl werden sich mehren.
Wenn wir der vertrackten Logik von Pastor Gauck entgehen wollen, müssen wir nicht nur unsere Lebensweise, sondern vor allem die Wirtschaftsform ändern, der wir unsere Lebensweise verdanken. Vielleicht wären wir dann wirklich glücklicher, sehr zum Verdruss des Herrn Gauck.
Ingeborg Gerlach