Bei der Gedenkfeier im Gewerkschaftshaus am Samstag, 13. April, konnten wir uns von Manni Kemper verabschieden. In Anwesenheit seiner Familie würdigte Michael Kleber die Arbeit von Manni, wies auf die Ausstellung seiner Bilder und Plakate hin, die noch bis zum Herbst zu sehen sein wird. Hansi Volkmann als langjähriger Freund blickte in seiner Rede und in einer beeindruckenden Diashow auf das Leben von Manfred - Manni - Kemper zurück. Elke Almut Dieter sprach im Namen des Friedenszentrums Braunschweig, in dem Manni lange Zeit tätig war. Es wurden Spenden in Höhe von 588,00 € für eine bleibende Erinnerung / evtl. für einen Stein für Manni Kemper gesammelt.
Rede Elke Almut Dieter:
Manni
Wir kennen Manni als engagierten politischen Menschen, der sich EIN LEBEN lang für seine Sache eingesetzt hat. Es war wirklich seine Sache, kein aufgesetztes Thema.
Mannis Zorn und Verachtung für die Verbrechen der Nazis prägte sein Leben. In BS fand er zur Friedensbewegung, setzte sich ein gegen die Aufrüstung, in den 90igern gegen die Pershing-Mittelstreckenraketen, in den 2000er Jahren gegen neoliberale Politik und die Nato-Kriege, er forderte den Austritt aus der NATO - der aggressiven Militärmacht, die Zerstörung, Tod, Flucht und Elend verursacht. Auf allen Demos war er vertreten, die Mahnwachen machte er ausdauernder als alle anderen. Als alle weg waren, machte er weiter, allein im Zug durch die Innenstadt. Er war sichtbar und ansprechbar.
Er hat Plakate erstellt, die seine Sprache sprechen und ist täglich mit ihnen und seinen Büchern unterwegs gewesen. Viele Menschen hat er angesprochen, viele waren ihm zugetan, denn er nahm sich Zeit und konnte auch zuhören! Weißt Du, welcher Tag heute ist??? Er kannte alle Gedenktage
Seine Arbeit war ihm wichtig: Lange machte er sich Gedanken „Wie kann ich das sagen, dass die Leute hingucken und verstehen, worauf es ankommt. Es reicht nicht, nur eine Parole aufzuschreiben … man muss die Menschen erreichen und ihnen aufs Maul schauen.“ Ich konnte mal dabei sein, wie die Plakate entstanden, die zum Volkstrauertag vor der Stadthalle eingesetzt wurden. Gemeinsam hatten wir die Aktion vorbereitet. Ich lernte seine Arbeitsweise kennen, auch seine Ungeduld und seinen Zorn. Die Plakatunterlage aus Kunststoff war leicht und tragbar, aber sie war auch empfindlich: das kannst Du nicht einfach so machen, die … ist teuer! Wie das jetzt aussieht … Aber auch oft: „Wunderbar! So geht das!“
In seinem Engagement war Begeisterung, der ganze Einsatz – keine halben Sachen.
Im Friedenszentrum entstand eine Werkstatt, in Zusammenarbeit mit Helmut Weidemeier und einem Mitarbeiter bildeten sie ein „triumvirat“ für politische Öffentlichkeitsarbeit.
Der Künstler Manni ist hier im Gewerkschaftshaus zu sehen mit seiner Ausstellung. Ich erinnere mich auch an die große Pyramide, die auf dem Platz stehen konnte - rundherum mit Plakaten und Schriften bedeckt – nicht irgendwie – nein inhaltlich sorgsam ausgesucht und gestaltet. Sie war schwer und sperrig – aber ein echter Hingucker. Volker hat ihn dabei unterstützt.
Seine Arbeit nahm er ernst und forderte das auch von den anderen. “Sei vorsichtig !“ ein häufiger Ausruf am Kohlmarkt, wenn er seine Schilder für einen Demozug zur Verfügung stellte. Such Dir eins aus – nicht irgend eins, lies und versteh, was da draufsteht! Nicht umsonst hatte er in seinem Gepäck auch immer die Bücher, in denen die Menschen ihre Unterschriften reinschrieben und Kommentare zu Mannis Aktionen. Darauf konnte er schon stolz sein …! Mit Respekt las ich die vielen ehrlichen Kommentare, auch prominente Namen. Leider sind die Bücher nicht da. Sie sind noch in seinem Gepäck. Bisher konnten wir noch nicht in die Wohnung, um sie zu retten.
Sein lebenslanger Kampf war ein Kampf gegen rechts -- nein , nicht gegen rechts ----- gegen die Rechtsradikalen ? --- nein radikal heißt lateinisch Radix, die Wurzel - die Nazis haben keine Wurzeln! Manni verlangte Sorgfalt – auch in der Sprache.
Und er wollte Haltung zeigen … Manni hatte eine Haltung: Er hat sich immer gegen das Schubladendenken gewehrt. Er hat gegen den Faschismus gekämpft hat. Aber gehörte er zu der Gruppe der Antifaschisten? Am Ende war er Einzelkämpfer. Er ein Kommunist? Seine Antwort: Ja, ich schätze die Kommunisten, gehöre dazu, aber ich bin in keiner Partei. Das passt nicht zu mir.
In meiner letzten Arbeit mit ihm habe ich Respekt vor seinem Wissen, vor seinem Werk bekommen und ein kleines Verständnis von seiner Arbeit.
Manni hat sich zur Aufgabe gemacht, als Fotograf und Künstler zu dokumentieren und damit gegen das Vergessen zu arbeiten. Er schrieb:
„Man kann den deutschen Faschismus als System nur dann begreifen, wenn eine Auseinandersetzung mit seiner furchtbarsten Form, den KZs stattfindet.“ Mit seinen Fotos hat er dokumentiert, Themen und Zusammenhänge dargestellt, um das Verbrechen des Faschismus nicht dem Vergessen preis zu geben. Es sind Dokumente aus zweiter und dritter Hand, bei Besuchen und Exkursionen zusammengetragen, aber von ihm selbst erfahren und emotional durchlebt. Er wählte die Motive aus und setzte sie in einen durchdachten Zusammenhang. Er zeigte, dass an allen Orten der Verfolgung und des Kampfes – selbst in ausweglosen Situationen - der Mensch zu Formen des Widerstandes, und zu menschlicher Größe fand …
Manni dachte nach, hinterfragte und stellte Forderungen: Solange diese wichtigen Themen nur oberflächlich behandelt werden, kann man nicht von einem wirklich neuen Europa reden. Was ist, wenn die heutige Gesellschaft nur noch aus angepassten Staatsdienern besteht? Genau diese Ohnmacht/Haltung war Voraussetzung für die Akzeptanz faschistischer Verbrechen. Extremismus, Verachtung, Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit sind auch heute noch bekannte Vokabeln. In seinen Fotos tauchen sie neben den Gräueltaten der Nazis auf - zur Warnung: Wehret den Anfängen!
Er zitiert Elie Wiesel: „Das Gegenteil von Erinnerung ist nicht das Vergessen, sondern Gleichgültigkeit.“
Ich denke, Manni hatte es schwer mit uns, wenn wir immer eilig von einer Aktion zur anderen unterwegs waren. Er mahnte uns einzuhalten und mal in Ruhe etwas zu überlegen. Seine Beiträge waren oft Fragen und … man sollte mal überlegen…. Er war zum Schluss sehr einsam, ein einsamer Wolf.
Manchmal hatten wir es auch schwer mit Manni, mit seiner Ungeduld, seinem Schimpfen und mit seinen unbequemen Fragen. Aber jetzt, da er nun nicht mehr bei uns ist, fehlt er sehr: seine Arbeit, sein Schimpfen und seine unbequemen Fragen.