Der für den 12.-14.4. in Berlin geplante Palästina-Kongress wurde am Freitag 12.4. ca. eine Stunde nach Beginn, durch die Polizei unterbrochen, der Videostream während der Rede von Salman Abu-Sitta gestoppt und schließlich aufgelöst. Sie verbot außerdem die Wiederaufnahme des Kongresses für das gesamte Wochenende.

Die Veranstaltung wurde bis zum Abbruch aufgezeichnet.

Salman Abu-Sitta war im Vorfeld, wegen Äußerungen aus dem Januar 2024, vom Bundesinnenministerium mit einem politischen Betätigungsverbot belegt worden.

Der Stern schrieb am 12.4.2024 dazu: "Der 86 Jahre alte Salman Abu Sitta sollte den Eröffnungsvortrag auf dem Kongress halten. Der palästinensische Autor leugnete in der Vergangenheit die Gräueltaten der Hamas und nannte die Terroristen "Widerstandskämpfer". Wäre er jünger gewesen, schrieb Abu Sitta, hätte er einer von denen sein können, die am 7. Oktober den Zaun durchbrachen. Der Gazastreifen ist für ihn ein "Konzentrationslager", das "in Dauer und Größe die Lager in Auschwitz, Treblinka und Dachau" übertreffe."

An der Einreise gehindert wurde auch der ähnlich heißende Arzt Dr. Ghassan Abu-Sittah (geb. 1969), auch Rektor der Universität Glasgow.



» https://en.wikipedia.org/wiki/Ghassan_Abu-Sittah

» https://gabusittahchildrensfund.org/pages/about-dr-ghassan-abu-sittah

» https://www.spiegel.de/ausland/israel-gaza-krieg-chirurg-ghassan-abu-sitta-erzaehlt-was-er-im-schifa-krankenhaus-erlebt-hat-a-b9a0fada-1fc6-49e4-a037-e975576e8944

» https://www.youtube.com/watch?v=721xIh2UiIo


Ghassan Abu-Sittah schildert hier in einem kurzen Video die Situation der Einreisebehinderung:

Aus den Veranstalterreihen wurde auch der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ausgeschlossen und mit einem Einreiseverbot belegt.

Seine zuvor aufgezeichnete Rede, die er halten wollte, kann auf diem25.org nachgelesen werden.



Nun ein Kommentar von Elke Almut Dieter und eine Stellungnahme des Bundesausschuss Friedensratschlag.


 


Kommentar zum Abbruch des geplanten 3-tägigen Palästina-Kongresses in Berlin am 12. April 2024

 

Ich empfinde es als befremdlich, dass in einem demokratischen Staat ein Kongress mit polizeilichen Mitteln verhindert und letztlich vom Staat untersagt wird. Das Recht der Information und des freien Gedankenaustausches ist im Grundgesetz niedergelegt.

 „… Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten…**

Für den Palästina- Kongress galt dieses Grundrecht nicht, allein aus politischen Gründen wurde eine Gefahrenlage konstruiert und zur Abwehr der Gefahr mit polizeilichen Maßnahmen durchgesetzt.

Ein eklatanter Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes

Begründet wurde der Abbruch des Kongresses mit dem Vorwurf des Antisemitismus, bzw. der Hetze gegen Israel. Diese Worte werden als propagandistische Kampfbegriffe benutzt, mit dem Ziel Kritik an der Israel/ Palästina-Politik abzuwehren. Das gelingt besonders in Deutschland: Unsere Regierung nutzt den Antisemitismus-Vorwurf zur Verurteilung unbequemer Veröffentlichungen. Die Presse spielt ihren Teil dabei mit und schafft eine vergiftete Atmosphäre, die eine Solidarität mit Palästinensern verhindern soll.

Der gestrige Gedenktag, an dem vor 80 Jahren die KZs in Deutschland geöffnet und die noch lebenden Gefangenen befreit werden konnten, erinnert an die Verbrechen der NS-Zeit, der Faschisten. Diese Tage mahnen, sich immer wieder gegen die Verfolgung Andersdenkender, gegen Vertreter*innen einer anderen Religion oder einer andern Lebensart einzusetzen. Die Mahnung der Vergangenheit bleibt wichtig. Gerade wegen unserer Vergangenheit muss die Regierung jegliche Vorverurteilung vermeiden, für die Einhaltung der Menschenrechte sensibilisieren, die Friedenspflicht erfüllen und alle Möglichkeiten der Friedensstiftung ausschöpfen, statt eine einseitig eine Staatsraison auszurufen.

Ein Kongress, der auf die verzweifelte Lage der Palästinenser hinweisen wollte, den Besatzungs- und Kriegsopfern eine Sprache geben wollte, wurde Opfer einer politischen Strafmaßnahme. Ich frage mich, was die Exekutive dazu treibt, wichtige demokratische Grundsätze aufzugeben. Die Angst vor der AfD kann es nicht sein, ihr wurde der Weg erneut geebnet. Die Bürger müssen um ihre Rechte kämpfen!

 

** „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 5. (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet“

Beschränkt werden diese Rechte gem. Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze sowie den Jugendschutz und das Recht der persönlichen Ehre…“.

 
Elke Almut Dieter

 


 

Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Verbot des Palästina-Kongresses in Berlin



Der vom 12.-14.4. geplante Palästina-Kongress in Berlin unter dem Motto: „Wir klagen an“ wurde nach im Vorfeld bereits stattgefundenen massiven Diffamierungen aus Politik und Medien am Freitag nur kurze Zeit nach Beginn aufgelöst und verboten.

Mehrere Menschen, darunter auch Personen jüdischer Herkunft, wurden verhaftet. Das Vorgehen von Politik und Polizei – obwohl es weder vor, noch während noch nach dem Kongress zu strafbaren Äußerungen gekommen ist – darf nicht hingenommen werden.

Bereits im Vorfeld wurde alles versucht, um die friedliche Konferenz zu verhindern, auf der insbesondere eine Koexistenz von Israelis und Palästinensern praktiziert wurde. Die Schikanen gingen von Kontensperrungen und dem Versuch, mithilfe des Bauamts und der Feuerwehr unüberwindbare Hürden aufzubauen sowie willkürliche Auflagen zu erlassen, über Betätigungsverbote bis hin zur Verhinderung von Einreisen.

Neben ihren völlig haltlosen Anschuldigungen gegen den Kongress, seine Organisator:innen, Teilnehmer:innen und Redner:innen machen sich deutsche Politik und Medien der Verharmlosung israelischer Kriegsverbrechen an der Bevölkerung des Gazastreifens, der Westbank und Ostjerusalems schuldig. Selbst Zahlen der im Gazastreifen Getöteten sowie die von Israel verursachte Hungerkatastrophe in der Küstenenklave werden in Zweifel gezogen. Über die deutsche Mitverantwortung spricht man lieber nicht. Und das, während Deutschland als zweitgrößter Waffenlieferant Israels und wegen seiner Streichung der Gelder für das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge UNRWA bereits vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag steht.

Die Bundesregierung isoliert mit ihrer Politik Deutschland in der gesamten Welt und handelt ohne jeden moralischen Kompass und Werte. Sie muss sich stattdessen für Deeskalation und diplomatische Lösungen im Israel-Palästina-Konflikt einsetzen.

Das Verbot des Kongresses ist ein riesiger Skandal und stellt eine weitere bedrohliche Eskalation bei der Aushebelung demokratischer Rechte dar. Die fortschreitende Einengung jeglicher Meinungskorridore in Deutschland ist brandgefährlich für alle, weil es das demokratisch verbriefte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränkt. Die zunehmende Unterdrückung von Meinungsäußerungen sowie die Repression aller kritischen Stimmen zum israelischen Krieg im Gazastreifen und dem absolut unverhältnismäßigen Vorgehen der israelischen Regierung und Armee geht uns alle an.

Kassel, den 14.4.2024



» Quelle: Homepage des Friedensratschlages

 


Hier noch ein englischsprachiger Beitrag zum Kongressabbruch in der London Review of Books, kurz LRB, ist eine zweiwöchentlich erscheinende britische Literaturzeitschrift, 2022 die auflagenstärkste Literaturzeitschrift Europas

https://www.lrb.co.uk/blog/2024/april/in-berlin
 



auch dazu

https://taz.de/Palaestina-Kongress-in-Berlin/!6001631/