Vortrag und Diskussion mit Dr. Erhard Crome - Videomitschnitt und Artikel zur Veranstaltung



Video zum Vortrag vom 19.1.2023 im Haus der Kulturen https://youtu.be/V7QrQQ1VMCU


von
Elke Almut Dieter

Achtzig interessierte Menschen trafen sich zu dem Vortrag von Ehrhard Crome im Haus der Kulturen. Er vermittelte eine andere Sicht auf den Ukrainekrieg, zeigte die geopolitischen Zusammenhänge auf und ordnete ihn in einen Weltordnungskrieg ein. Das Ende der USA als monopolare Weltmacht, der Aufstieg Chinas und Indiens führt zu einer Gewichtsverschiebung in den asiatischen Raum und zu Machtkämpfen, die als Stellvertreterkriege geführt werden. Russlands Krieg in der Ukraine sollte seine Großmachtstellung demonstrieren.

Crome verurteilt den Einmarsch von Russland in die Ukraine als völkerrechtswidrigen blutigen Krieg, der gegen den Kriegsächtungspakt von 1928 verstößt, den die Sowjetunion damals unterzeichnet hat. Die leidvollen Erfahrungen des 2. Weltkrieges führten zur UNO Charta und deren Institutionen. Die russische  Kriegsführung ist ein schwerer Bruch gegen diese Verabredungen, den Krieg zu ächten.

Gleichzeitig weist er darauf hin, dass der Westen keinen Grund für eine moralische Überheblichkeit hat. Saddams Einmarsch in den Kuwait begann mit einer Zustimmung der USA-Botschafterin und  war ebenso völkerrechtswidrig wie die Bombardierung  Jugoslawiens, der Einmarsch in Afghanistan, wie die Eingriffe der US-Army in Libyen und Syrien. Die Russen machen das dem Westen jetzt nach. Die russische Politik spiegelt den Westen.

1. Der Bürgerkrieg in der Ukraine zwischen den Östlichen Landesteilen und den westlich orientierten Landesteilen  ( > Maidan….)

2. Der Einvernahme der Krim

3. Und der Krieg zwischen der Ukraine und Russland, seit 2022 ein verschärfter Krieg mit hohen Opferzahlen und Millionen von Flüchtlingen, unterstützt vom Westen und der NATO, um dem Osten eine strategische Niederlage  zufügen zu können.


Die 1. Brzezinski-Falle

Die US Regierung hat unter Carter den Russen eine Falle gestellt, wollten ihnen damit ein „Vietnam“ bereiten, dem Sozialismus die Friedensfahne aus der Hand holen… In Kabul war eine linke Regierung – US-Amerika unterstützte und bewaffnete  die Mudjahedin – welche gegen die Kommunisten putschten.  Breshnew, Außenminister Gromyko, Verteidigungsminister Ustinow und Geheimdienstchef Andropow beschlossen, in Afghanistan einzugreifen. Mit der Unterstützung der Regierung in Kabul liefen sie in die US-amerikanische Falle. Der damalige Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski hat in den 1990er Jahren offen zugegeben, dass das eine Falle war, die die USA der Moskauer Führung gestellt hatten.


Die 2. Brzezinski-Falle

In den 1990er Jahren schrieb Brzezinski: Russland ist ohne die Ukraine kein Imperium! Obama ordnete Russland als „Mittelmacht“ ein. Das wollte Putin widerlegen; er schloss die Krim Russland an und unterstützte die „Volksrepubliken“ Donbass mit Truppen. Eine Folge dessen war allerdings, dass sich die Wählerschaft und die Wahlergebnisse in der Ukraine dauerhaft änderten. Nachdem die russisch orientierten Landesteile Krim und Donbass fehlten, bekamen die westlich ausgerichteten Parteien dauerhaft die Mehrheit und Selenski erhielt breite Unterstützung. Mit dem Einmarsch in die Ukraine ist Russland in die 2. Brzezinski-Falle getappt.


Die Geopolitik

Das Hauptproblem für den Westen: er wird tendenziell immer schwächer. Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft verlagert sich nach Asien, die USA und Europa sind auf dem absteigenden Ast.  Die Antwort der USA: die militärische  Machtpolitik zu nutzen, um den Niedergang aufzuhalten, das heißt Unterstützung  der Ukraine gegen Russland und Unterstützung von Taiwan gegen China. Die Ein-China-Politik ist international anerkannt, auch seit 1979 durch die USA. Taiwan kam nach 1945 mit der Entkolonialisierung der japanischen Kolonien an China zurück. Nachdem mit der Niederlage von Tschiang Kai-chek auf dem chinesischen Festland 1949 und der Machtübernahme von Mao die Kuomintang-Regierung auf die Insel Taiwan floh, bestanden zwei chinesische Regierungen, die wechselseitig beanspruchten, jeweils ganz China zu repräsentieren. Aktuelle Bemühungen taiwanesischer Kräfte, eine Selbständigkeit eines Staates Taiwan zu erklären, provozieren die Ein-China-Position Pekings, die dies nicht akzeptiert. Durch die Unterstützung dessen durch die USA und die weitere Aufrüstung Taiwans wird im Pazifik ein Spannungsherd geschaffen mit dem Ziel, China zu schwächen.


Was heißt das für Europa?

Das Morden im Krieg Ukraine-Krieg hält weiter an. Die Medien scheinen wie gleichgeschaltet, zumindest die „Qualitätsmedien“ der großen Pressekonzerne. Nicht passende Informationen kommen da nicht mehr vor. Beispiel: Der Chef der Vereinigten Stäbe der US-Streitkräfte, Mark Milley, nannte im November 2022 200.000 gefallene und verwundete russische und ukrainische Soldaten; in Deutschland gab es immer nur Meldungen über 100.000 Tote bei den Russen, die Toten der Ukrainer kommen in den Medien kaum vor. Die Opferzahlen steigen weiter (Vergleich zu Verdun 1915/16)

Der russische Blitzkrieg ist gescheitert durch den Widerstand der Ukrainer, Gebiets-Gewinne erlangten die Russen nur mit vielen Opfern. Es gibt keinen Wendepunkt im Ukrainekrieg. Trotz einer scheinbaren, propagandistischen Verhandlungsbereitschaft im Dezember beharren beide Seiten auf ihren Kriegszielen. Im Dezember wurde auf beiden Seiten Verhandlungsbereitschaft erklärt, aber die gestellten Bedingungen auf beiden Seiten sind keine Basis für Verhandlungen, sondern für einen Siegfrieden. Einen anderen als den Siegfrieden will man sich weder in Moskau noch in Kiew und Washington leisten.


Ist der Westen Kriegspartei?

Mit den Waffenlieferungen von schweren Geräten gibt es die Gefahr, dass der Westen als Kriegspartei angesehen wird. „Eine nukleare Großmacht verliert keinen Krieg!“ war bereits vor dem Ukraine-Krieg Russlands unter Militärs Allgemeinwissen. Auch der Einsatz von „kleinen“ atomaren Waffen – wie in Hiroshima und Nagasaki – ist möglich, und erhöht die Atomkriegsgefahr. Die Schwächung Russlands erhöht die Gefahr eines Atomkrieges.

Die deutsche Außenpolitik hat keine eigene Zielvorstellung. Der Ukrainekrieg ist auch ein Krieg gegen Deutschland! Deutschland erlebt einen Verlust der eigenen Position gegenüber der Positionen von vor 2022. Die wirtschafts- und finanzpolitische Macht, wie sie unter Merkel praktiziert wurde, spielt keine Rolle mehr, nachdem das Militär eine zentrale Rolle spielt. (Schon Egon Bahr mahnte: Deutschland ist nicht mehr kriegsverwendungsfähig.) Die politische Rolle Deutschlands ist jetzt die eines Juniorpartners von Präsident Biden. (>Nordstream 2 ) Eine eigene deutsche Position wäre der Ausweg aus der Entwicklung. Russland wird nicht von der Landkarte verschwinden. Gute Beziehungen zu Russland werden auch in der Zukunft notwendig sein.

Solange es aber auf dem Gefechtsfeld weiter geht, wird es keine Lösung geben.  Selbst 1000 Panzer werden nicht reichen. Russland hat 3 bis 4mal so viel Menschen wie die Ukraine, seine fehlende Ausrüstung wird nachgeholt, die funktionierende Rüstung steht außer Zweifel. Ohne eigene politische Initiativen wird der Krieg weiter andauern.


Für die Friedensbewegung sieht Crome die Aufgabe, die Stimmung in Deutschland zu verändern.

 

Elke Almut Dieter

 



Dr. Erhard Crome ist Politikwissenschaftler und Geschäftsführender Direktor des WeltTrends-Institutes in Potsdam.
Buch zum Vortrag: »Russlands ukrainischer Krieg«, erschienen am 23.08.2022, ISBN/EAN: 9783897933507 
» Ankündigungsflyer 

Das Video ist verfügbar im youtube-Kanal des Friedenszentrums :  https://youtu.be/V7QrQQ1VMCU


Kritik an der irreführenden medialen Aufmachung der Braunschweiger Zeitung zu einem ansonsten korrekten redaktionellen Artikel zur Veranstaltung:
https://braunschweig-spiegel.de/kriegsursachen-sind-vielfaeltig/